Amsterdam, eine Hauptstadt für mehr Freude im Leben.
Ganz ruhig und entspannt saß er im Schneidersitz vor einer der unzähligen Brücken Amsterdams. Ganz dicht am Kanal, um am Samstag Nachmittag noch ein wenig Sonnenlicht zu tanken. Ganz einfach gekleidet und Millionen Gedankengänge vom Diesseits entfernt. Er zündete sich seinen Joint erneut an, inhalierte den betäubenden Rauch und pustete ihn Sekunden später mit einem dezenten Lächeln in den blauen Himmel hinaus. Nun legte er seinen Kopf in den Nacken und genoss den Moment bevor er wenig später zum nächsten Zug ansetze. Seine langen blond gefärbten Haaren flatterten dabei im Wind und jedes Mal wenn er zum Himmel blickte, blitzte über seine große Nase hinweg das Glas seiner dominanten Brille zu mir rüber…
Als Kind war ich das letzte Mal in Amsterdam, doch erinnern konnte ich mich an nichts mehr. Die Hauptstadt der Niederlande war in meinem Gedächtnis weiter entfernt als der Geschichtsunterricht der dritten Klasse. Tulpen, Gouda, Hollandräder, Coffee-Shops und Holzschuhe waren die Schlüsselwörter, die mir auf der Hinreise durch den Kopf strömten. Doch wofür steht das kleine Nachbarland im Westen Deutschlands wirklich? Was macht Amsterdam so besonders? Ich denke, dass es die Art der Menschen und Leute ist, die Amsterdam besonders macht. Hier sind schlichtweg alle etwas anders. Die Menschen sind entspannter, nicht unbedingt besser gelaunt als anderswo, aber in ihrer Art eben ein bisschen verrückt. Da kann es schon mal vorkommen, dass man Männer mit blonden Zöpfen durch die Straßen radeln sieht oder man sich mitten auf dem öffentlichen Platz zum Urinieren hinstellt. Und damit sind nicht etwa die Wildpinkler gemeint, nein, ganz offiziell. Wirklich.
Einen großen Einfluss auf dieses entspannte Ambiente hat sicherlich auch die Gesetzeslage in den Niederlanden. In einem Staat in dem das Rauchen von Marihuana toleriert wird und Sex mit Tieren noch nicht lange unterbunden wird, läuft eben alles etwas anders. Und was genau in Amsterdam alles anders, ein bisschen kurios oder einfach nur beeindruckend ist, erfahrt ihr in den folgenden 9 Punkten.
Grachten
„Plant mehr Zeit ein, denn ihr werdet euch verlaufen“, sollte die erste Regel für einen Amsterdam-Besuch sein. Schuld daran sind die Grachten, die den Stadtkern Amsterdams ringförmig umkreisen. So werden nämlich die vielen Kanäle bezeichnet, die das Stadtbild des inneren Amsterdam noch bis heute prägen. Sie dienten ursprünglich als Transportwege und wurden sekundär als Abwasserkanäle genutzt. Einmal am Tag öffneten sich die Schleusen und das schmutzige Wasser spülte in das Ijsselmeer. Nicht sehr geil. Noch heute soll das Wasser mehrmals pro Woche ausgetauscht werden – mit dem Unterschied, dass das Abwasser nun über andere Wege beseitigt wird. Noch immer durchziehen 80 Kilometer befahrbare Kanäle die Hauptstadt, wobei heutzutage eher private Boote und Sightseeing-Reedereien den Fahrbetrieb bestimmen.
Wohnen in Amsterdam
Die Höhe der Zölle wurde früher an der Breite der Häuser an der Gracht berechnet. Daher entstanden zu Seefahrtszeiten nur besonders schmale Häuser. Das schmalste Haus Amsterdams misst somit nur eine Breite von 1,50 Meter. Und da es durch so schmale Treppenhäuser unmöglich ist Schrank und Sofa zu transportieren mussten die Amsterdamer ein Mal mehr sehr erfinderisch sein. Die Lösung lag darin, die Habseligkeiten über die großzügigen Fenster in die Wohnung zu bekommen. Und um das zu erleichtern wurden hervorstehende Balken an den Giebeln der Häuser angebracht. Außerdem sind viele Häuserfassaden leicht nach vorne geneigt, um den Möbeltransport per Flaschenzug zu erleichtern. „op vlucht“ nennen das die Niederländer, die ein besonders schiefes Stadtbild erzeugen.
Blumen, Bloemen, Flowers …
Etwa 80 Euro gibt jeder Holländer im Jahr für Blumen aus. Und Blumen im Wert von etwa 8 Milliarden Euro werden im Jahr aus den Niederlanden exportiert. Damit spielt die duftende Exportware nicht nur als Geschenk, sondern auch in der Wirtschaft eine enorm wichtige Rolle. Nicht selten wirst du also auf den Straßen Menschen mit üppigen Blumensträußen sehen oder einen Blumenladen entdecken.
Blumenpflücker sollten jedoch auf Schilder mit der Aufschrift „Bloemen plukken verboden“ achten, die bedeuten, dass hier lieber keine Blumen gepflückt werden sollten. Denn was ein Deutscher Kleingärtner schon nicht gerne sieht, wird einem niederländischen Blumenfreund garantiert nicht schmeckten.
Fahrräder
In Amsterdam soll es genauso viele Fahrräder wie Einwohner geben. Das ist beachtlich und sicherlich Weltrekord. Das „fiets“ ist tatsächlich das beste Fortbewegungsmittel in den kleinen und verstopften Straßen Amsterdams. Doch als Fußgänger sollte man eher vorsichtig sein. Die oft mit zwei oder drei Personen beladenen Drahtesel düsen ohne Angst vor Verlusten durch die schmalen Straßen. Daher empfiehlt es sich selbst mit dem Fahrrad unterwegs zu sein. Verleihstationen gibt es wie Sand am Meer. Doch Vorsicht ist geboten. In Amsterdam kommen Fahrräder schneller weg als Autos in Polen. Besonders gerne werden die Fahrräder in der Nacht geklaut und für nur 10 bis 20 Euro innerhalb von Minuten an den nächstbesten weiterverkauft. Mir wurde an dem Wochenende selbst zwei Mal ein frisch geklautes fiets angeboten. Aneta, die ich in Amsterdam besuchte, sieht das als besonderen Service an. Sobald ihr Fahrrad einen platten Reifen hat, lässt sie es stehen und kauft noch am gleichen Tage ein neues Fahrrad. Beim Diebstahlschutz scheint zu gelten: Je miserabler der Zustand meines Fahrrads, desto höher die Wahrscheinlichkeit es wieder vorzufinden.
Homohauptstadt
Obwohl Berlin wohl gerade dabei ist Amsterdam des Titels zu beerben, so galt Amsterdam viele Jahre als Schwulenhauptstadt Europas. Heute erinnern drei rote Marmorplatten auf dem Platz vor der Westerkerk an die verfolgten, unterdrückten und ermordeten Homosexuellen der Vergangenheit. Das 1987 errichtete Homomonument war das erste Schwulendenkmal der Welt.
Coffee-Shops
Der öffentliche Handel mit Cannabis ist nicht legal, wird aber bis zu einer Menge von 5g toleriert und bleibt ohne Strafverfolgung. Etwas widersprüchlich? Finden die Niederländer auch, daher ist die Duldung unter dem Begriff „gedogen“ im ganzen Land bekannt. Damit soll bewirkt werden, dass harte Drogen vermieden werden. Aufgrund dieser Duldung entwickelte sich innerhalb der letzten Jahre ein wahrer Drogentourismus. Alleine in Maastrich wurden jährlich rund 1,4 Millionen Drogentouristen gezählt. Eine unglaubliche Masse an Menschen, die für Ruhestörungen und Partygeschrei sorgte. Folglich sollte seit 2013 die Cannabis-Karte gelten, die nur Einheimischen den Konsum der beliebten Droge erlauben sollte. Da die niederländische Regierung von dieser Entscheidung nun etwas zurück ruderte, dürfen nun die Städte und Gemeinenden selbst entscheiden. Amsterdam hat sich mit seinen über 200 Coffee-Shops bisher noch nicht dafür entschieden. Klar, denn die Stadt lebt vom Tourismus und beherbergt fast ein Drittel der Coffee-Shops der gesamten Niederlande!
Sextourismus
Vor meiner Reise nach Amsterdam hatte ich ja keine Ahnung. Klar wusste ich von den Bienen und Blumen sowie den Störchen und Babys, aber ich hatte ja keine Ahnung wie der Sextourismus in Amsterdam funktioniert. Denn rund um die älteste Kirche der Stadt, der Oude Kirk, erstreckt sich das Rotlichtviertel De Wallen. Hier räkeln sich leicht bekleidete Frauen in sämtlichen Alters- und Gewichtsklassen in den kleinen Schaufenstern der Gebäude. Mit strengen und lüsternen Blicken fordern Sie Mann gerade dazu auf hinein zu kommen. Und hinter dem Schaufenster befindet sich nicht etwa ein Nachtclub oder ein Bordell, sondern der Ort der Lust selbst. Sobald Mann also hineingetreten ist, wird der Vorhang zugezogen und die nächste Schicht beginnt. Ein ungeheurer Ort.
Essen in Amsterdam
mosselen*, kroket**, loempia*** oder patat oorlog****. Typisches Essen in Amsterdam und den Niederlanden ist fettig und frittiert. Und fettig. Und frittiert. Immer.
Ein wichtiger Grund zum Reisen ist für mich das Kennenlernen von traditionellen Speisen und Getränken. Auskosten, ausprobieren und schlemmen stehen ganz oben auf meiner Vergnügungsliste, doch in Amsterdam muss man darauf wirklich verzichten. Meiner Meinung nach hat die landeseigenen Küche rein gar nichts zu bieten. Aber auch Freundlichkeit des Services sowie das Preisniveau lassen ordentlich zu wünschen.
* in Weißwein gekochte Miesmuscheln mit Pommes und Mayonnaise
** frittierte Fleisch- oder Garnelenkroketten
*** Frühlingsrolle
**** Pommes mit Zwiebeln, Mayonnaise und Erdnusssauce
Seinen Tiefpunkt erlebt die Essenskultur Amsterdams mit den automatiek. Diese 24/7 zugänglichen Snackautomaten beinhalten allerlei heiße und fettige Fast Foods. Sobald man ein paar wenige Euro eingeworfen hat, kann ein kleines Türchen des Automaten geöffnet und der Snack verzehrt werden.
Doch im Vergleich dazu sind die vielen internationalen Küchen der Stadt umso besser. Zum Beispiel kann Chinatown super ausgegangen werden und auch die indonesische Küche hat ihren Ursprung allem Anschein nach in der Grachtenstadt. Denn was aus internationalen Küchen kommt, kann auch in Amsterdam super gegessen werden.
Sehr zu empfehlen ist beispielsweise die Spaghetteria Zuid in der Van Woustraat 123. Außerdem sollte ganz traditionell nicht auf den Amsterdamer Gouda verzichtete werden!
Hausboote
Ein Hausboot ist der Traum eines jeden Aussteigers. Ich verbinde damit Freiheit, die Möglichkeit an nahezu jeden Ort der Welt zu fahren und dort zu hausen. In Amsterdam befinden sich in den Grachten über 2000 Wohnboote. Die Idee entstand in den 1950er Jahren als Studenten ausgediente Schiffe zu Wohnungen umbauten. Doch ganz so ist es nicht mit der lieben Freiheit. Viele der Hausboote Amsterdams können nur noch mit Hilfe einer Schleppers oder Krans bewegt werden. Sie haben ihre festen Liegeplätze und sind teuer in Pflege und Unterhalt. Heutzutage ist es kaum mehr möglich einen Liegeplatz zu bekommen, es sei denn man kauft ein Hausboot mit einem bestehenden Liegeplatz. Wer sich mehr für Hausboote interessiert, dem kann ich das Hausboot-Museum in der Prinsengracht 296K, 1016 HW Amsterdam empfehlen.
… und jedes Mal, wenn sein Brillenglas zu mir herüber blitze, erzählte es mir mehr über diese beeindruckende Stadt. Ich konnte sie besser verstehen, ich konnte mit ihr fühlen und war froh die Menschen und ihr glückliches Amsterdamer Leben kennengelernt zu haben.
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27. Juni 2019, 9:10