Streetart in Marseille.
„Weißt du, Steven, es gibt in Marseille viele arme Menschen, Kriminalität, Obdachlosigkeit und Drogenhandel. Die ganze Stadt genießt in Frankreich kein gutes Ansehen. Aber die einzelnen Probleme können nicht pauschal über die ganze Stadt gelegt werden. Mit den Marseille Provence Greeters setze ich mich dafür ein, dass unsere Gäste auch die andere Seite Marseilles zu sehen bekommen.“
Ich traf Damien um 11.13 Uhr am Maison de la Région der Innenstadt Marseilles. Er ist ein junger Freidenker, jemand der den Augenblick genießt und ein Mensch, der in keine Schublade gesteckt werden möchte. In ein paar Tagen wird der Ende Zwanzigjährige seinen eignen Onlineshop launchen. Dort wird er Skateboards verkaufen, deren Unterseiten von bekannten Streetart-Künstlern Marseilles gestaltet wurden. Jedes Skateboard soll ein Unikat sein, versicherte er mir. Die Idee zu diesem Onlineshop entstand aus seiner Leidenschaft zum Skaten und der Liebe zu urbaner Kunst.
Marseille Provence Greeters
Für die Greeter ist Damien ehrenamtlich unterwegs. Die Idee, Touristen die eigene Stadt nicht als Guide, sondern eher als Freund zu zeigen, entstand bereits 1992. Es war Lynn Brooks, die Reisenden New York City aus ihrer ganz eigenen Perspektive zeigte. Dabei empfahl sie eben jene Orte, die sie persönlich ganz besonders liebte und polierte somit das Image der Metropole auf. Den Besuchern ihrer Stadt zeigte sie beispielsweise besondere Stadtbezirke, gute Restaurants oder nette Locations zum Ausgehen. Ihre Idee wurde schnell weltweit begeisternd aufgenommen, so dass sich über die Jahre weitere Greeter Netzwerke bildeten. Heute können in vielen Ländern, von Argentinien bis Vietnam, die Dienste der Greeter in Anspruch genommen werden. Dabei stehen ein kultureller Austausch sowie ein freundschaftliches Miteinander unter den Nationen dieser Erde im Vordergrund.
Seit 2008 gibt es auch in Berlin ein Greeter Netzwerk, das mir aufgrund des grandiosen Mottos „Kommste. Kiekste. Staunste.“ wohl immer im Gedächtnis bleiben wird.
Streetart in Cours Julien und Panier Viertel
Mehrere Male pro Woche ist Damien mit seinem Handy bewaffnet in den Straßen Marseilles auf der Jagd nach neuer Streetart. Seine Beute veröffentlicht er unter @trickorstreet auf Instagram. Auch an diesem Nachmittag finden wir einige neue Werke, wie zum Beispiel jene von „Mimi the Clown“, die am Tag zuvor noch nicht dort waren.
Die meisten Kunstwerke können in den Vierteln um die Cours Julien und rund um die Rue du Panier bestaunt werden. Legal sei Streetart in Marseille nicht, erklärte mir Damien. Jedoch sieht auch der Staat seine Vorteile in der bunten Stadtverschönerung, so dass die urbane Kunst toleriert wird und nicht strafrechtlich verfolgt wird.
Anders sieht es allerdings mit Graffiti-Schmierern aus, die ihre Kürzel oder wilde Parolen an die Wände der Innenstadt sprühen. Und genau diese Schmierer regen auch Damien auf. Sie sorgen dafür, dass Graffitis weltweit so ein schlechtes Ansehen genießen.
Inzwischen haben auch viele Geschäfte und Restaurants in der Nähe der Cours Julien ihre Fassaden von bekannten Streetart-Künstlern gestalten lassen. Damien ist glücklich über diese Entwicklung, auch wenn die Szene in Marseille noch nicht an jene aus Amsterdam oder Berlin heran kommt.
Über zwei Stunden waren wir in den kleinen Gassen der Hafenstadt im Süden Frankreichs unterwegs. Und auch nach diesen zwei Stunden gab es immer noch Werke, an denen ich ohne Damien wohl achtlos vorbei gegangen wäre. Doch immer wieder zerrte er mir am Arm und zeigte nach oben, unten oder zur Seite. Unfassbar, wie unaufmerksam ich war, dachte ich mir.
Ich bin nicht der Typ für lange Museumsbesuche oder gar Kunstausstellungen, aber diese Form der Straßenkunst begeisterte mich schon irgendwie, denn in der ganzen Stadt waren kleine visuelle Höhepunkte zu entdecken, wenn man eben nur richtig hinschaute. In Berlin oder gar Athen gibt es, wie diese Beiträge von Susi zeigen, auch einiges an Streetart zu entdecken – die Frage ist nur immer wie aufmerksam wir durch die Straßen hasten. Ich denke, dass sich mit ein bisschen mehr Beachtung auch der tagtägliche Alltagstrott etwas versüßen lässt und wir dabei unsere Oasen der Ablenkung finden.
Also, Augen auf!
Monika
10. Juni 2014, 12:42Mensch, Steven, das ist ja ein toller Bericht! Ich bin ganz begeistert, erstens wegen deiner tollen Fotos, zweiten aber auch weil hier tatsächlich ein ganz anderes Bild von Marseille entstanden ist. Super!!
Steven
10. Juni 2014, 20:07Hi Monika, das freut mich und vielen Dank für die Blumen! Ein Blick hinter die Kulissen lohnt eben fast immer. =)
Dani
18. Juni 2014, 13:11Begeisterung pur…. Steven. Streetart ist immer wieder faszinierend. Aber das es soviel in Marseille gibt. Super!!
Danke und Grüsse Dani
Steven
1. Juli 2014, 21:45Hi Dani,
ja – Streetart ist in Marseille hoch im Trend! Mal sehen wie sich das in den nächsten Jahren dort entwickelt.
Viele Grüße,
Steven
Kristine
30. November 2014, 15:32Bei deinen Fotos (sehr cool fotografiert!) bekommt man ja das Gefühl, an jeder Straßenecke auf Streetart zu treffen. Ich muss wohl noch mal nach Marseille und der Stadt eine zweite Chance geben… 🙂
Liebe Grüße, Kristine
Steven
30. November 2014, 23:41Huhu Kristine, jaaaa, du solltest Marseille noch eine Chance geben!
An jeder Ecke wirst du nicht auf Streetart treffen, aber an sehr vielen! Wodurch wurde der erste Eindruck der Stadt zerstört? Was war bei dir die Ursache? Marseille scheint ja echt einen üblen Ruf zu haben. Viele Grüße, Steven
Pingback: Blogger Relations im Tourismus: Mehr also nur Bloggen | Social Media im Tourismus
29. März 2019, 14:12