Öko-Labels im Tourismus
Öko-Labels im Tourismus: Ein Gespräch mit der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde
Martin Ballas ist Freier Akademischer Mitarbeiter am Zentrum für Nachhaltigen Tourismus (ZENAT) der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH). Für eine Recherche zum Thema Öko-Labels im Tourismus führte ich mit ihm ein Interview.
Herr Balas, was denken Sie, wie hat sich der Nachhaltige Tourismus in den letzten 25 Jahren entwickelt?
Aus der Vielzahl der Begrifflichkeiten und Konzepte hat sich in den letzten Jahren das Konzept des „nachhaltigen Tourismus“ durchgesetzt. In der Branche ist allgemein akzeptiert, dass die Prinzipien der nachhaltigen Entwicklung auch für den Tourismus relevant sind. Mit der Globalisierung treten ökologische und soziale Konflikte vermehrt in den Vordergrund und setzen auch die Tourismusbranche bisweilen unter Handlungsdruck. Globale Initiativen (bspw. Zertifizierungssysteme wie GreenGlobe), Standards (bspw. GSTC) und diverse Netzwerke etablieren sich zunehmend als Instrumente zur Förderung eines nachhaltigen Tourismus. In Deutschland wird darüber hinaus von einer durchaus großen Nachfrage nach ökologisch und sozial verträglichen Reisen ausgegangen (vgl. Reiseanalyse 2013 & 2014). Die nachhaltige Entwicklung von Tourismusunternehmen bleibt politisch – zumindest in Europa – eine freiwillige Aufgabe und wird daher insbesondere durch freiwillige Initiativen getragen. So existieren weltweit ca. 150-180 Labels für einen umweltfreundlichen bzw. nachhaltigen Tourismus – allein in Deutschland gibt es mehr als 40 Zertifizierungsprogramme (Studie der HNE-Eberswalde 2016 – wird in den nächsten Wochen veröffentlicht). Diese „Label-Flut“ deckt jedoch nur einen sehr geringen einstelligen Prozentteil der Tourismusindustrie ab. Aktuelle Entwicklungen wie das Klimaabkommen von Paris, die weltweiten Entwicklungsziele für nachhaltige Entwicklung (SGDs) und auch der ansteigende Konsumententrend nach verantwortungsvollen und nachhaltigen Produkten erzeugen derzeit positive Dynamiken in Richtung eines nachhaltigen Tourismus.
Welche Relevanz hat nachhaltiges Reisen für Normalreisende bei der Urlaubsbuchung?
Der Urlaub wird weiterhin nach den „klassischen“ Reisemotiven und den gewünschten Reisezielen gebucht. Nachhaltigkeit kann als „Zusatznutzen“ bei der Reisebuchung gelten, vor allem wenn gleichwertige Angebote miteinander verglichen werden. So kann ein nachhaltiges Angebot durchaus als Entscheidungskriterium gegenüber eines nicht-nachhaltigen Angebots gelten, da Nachhaltigkeit neben der wahrgenommenen Verantwortung des Anbieters für den Reisenden auch als Qualitätsmerkmal gilt. Wichtig bleibt jedoch, dass die Reisewünsche ganz normal befriedigt werden, die Reise nicht teurer als eine „nicht-nachhaltige“ Reise ist und sie leicht und gut aufbereitet auffindbar ist. Laut Reiseanalyse 2014 würden 61% der deutschen Reisenden ihre Urlaubsreise gern nachhaltig gestalten, aber für nur 2% ist es derzeit ein ausschlaggebendes Kriterium für die Buchung/Auswahl.
Offline vs. Online: Wo buchen nachhaltig Reisende überwiegend Ihre Reise?
Hierzu kann keine allgemeingültig Aussage getroffen werden, da die Buchung von dem Reiseanbieter (klein, spezialisiert oder groß und generalisiert), der Art der Reise (Rundreise, Pauschalreise, Individualreise) und des Reisenden selbst abhängt. Oftmals sind nachhaltige Reisen Gruppenreisen oder Reisen, die einen höheren Beratungsaufwand bedürfen – daher werden diese auch im Reisebüro gebucht. Oder direkt bei den oftmals kleineren Reiseveranstaltern. Die internetaffine Konsumgruppe LOHAS wiederum bucht überwiegend online. Es bleibt aber festzuhalten: Bislang gibt es kaum Möglichkeiten, eine „nachhaltige“ Reise einfach und gut sortierbar im Internet aufzufinden und daher auch zu buchen. Die Sichtbarkeit von nachhaltigen Reisen bzw. Reiseanbietern muss somit in Zukunft deutlich verbessert werden.
Die HNE Eberswald ist Partner des Labels TourCert. Wie kam es dazu und welche Rolle hat Ihre Hochschule für das Label?
Die HNE-Eberswalde ist eine der vier Gründungsgesellschafter von TourCert (mit dem Label CSR Tourism – jetzt TourCert Label) und ist weiterhin im Aufsichtsrat von TourCert, vertreten durch Prof. Strasdas. Die Zertifizierungsgesellschaft TourCert ist eine gemeinnützige Initiative, die sich insgesamt dem Ziel der nachhaltigen Entwicklung des Tourismus, vorrangig der touristischen Reisekette, verschrieben hat. Das Label ist ursprünglich aus dem CSR-Berichtsstandard für Reiseveranstalter des Forum Anders Reisen entstanden und hat sich entsprechend weiterentwickelt. Die HNE hat mit dem Masterstudiengang Nachhaltiges Tourismusmanagement seit vielen Jahren Studierenden-Projekte gemeinsam mit TourCert und weiteren Verbänden und Initiativen durchgeführt und unterstützt das Label weiterhin aktiv.
Wie viele Ökolabels gibt es? Wie vielen Labels vertrauen Sie persönlich und welche Kriterien müssen dafür übereinstimmen?
Ganz genau weiß man das nicht aber man geht von 150-180 Labels aus, die als Umwelt-,Sozial, und Nachhaltigkeitszertifizierungen auftreten. In Deutschland gibt es mindestens über 30 Labels mit verschiedenen Zertifizierungssystemen (ca. 45) – es wird also auch noch einmal nach bestimmten Anbietergruppen unterschieden wie bspw. für Hotels, Reiseveranstalter etc. Diese regelrechte Siegelflut steht hier einer geringen Anzahl an zertifizierten Tourismusbetrieben und einer geringen Öffentlichkeitswirksamkeit gegenüber. Bisher ist den Akteuren des Zertifizierungsbereiches auch nicht gelungen, die Potenziale für nachhaltigen Tourismus am Markt ausreichend zu platzieren – sie decken nur in etwa einen unteren einstelligen Bereich der gesamten Tourismuswirtschaft ab. Für ein vertrauensvolles Label sollten die Inhalte überwiegend die drei Nachhaltigkeitsdimensionen abdecken, die Kriterien sollten transparent – also öffentlich – dargestellt werden, die Betriebe sollten angehalten werden, sich kontinuierlich zu verbessern und ihre Aktivitäten bzw. das Ergebnis der Zertifizierung aktiv kommunizieren, es sollten bestimmte Mindestanforderungen für die Zertifizierung gestellt werden, es sollten unabhängige und externe Gutachter zur Prüfung der Betriebe eingesetzt werden, die Zertifizierung sollte nach spätestens 3 Jahren erneuert werden und letztlich sollte das Label selbst seine Aktivitäten transparent nach außen darstellen. Wenn diese Kriterien erfüllt sind, kann man dem Label sicherlich auch vertrauen.
Warum ist das Label TourCert glaubwürdig?
Das TourCert-Label (ehemals CSR- Tourism) berücksichtigt alle Dimensionen der Nachhaltigkeit (Ökologie, Sozio-Kultur, Ökonomie) und setzt auf eine konsequente und kontinuierliche Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens in den zertifizierten Betrieben. Es geht darum, langfristig ein Nachhaltigkeitsmanagement zu etablieren und dieses im Betrieb zu leben. Die Betriebe müssen ihre Leistungen und Bestrebungen auch nach außen durch einen Nachhaltigkeitsbericht darstellen. Dieser Prozess- und Managementgedanke ist in der Label-Landschaft recht einzigartig. Um die Glaubwürdigkeit zu sichern, werden die zu zertifizierenden Betriebe von einem unabhängigen externen Gutachter geprüft und schließlich wird die Zertifizierung von einem ehrenamtlichen Zertifizierungsrat beschlossen. Dieses Prüfverfahren ist neben den Inhalten also auch sehr ambitioniert und seriös und schafft damit Glaubwürdigkeit.
Welches sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Ökolabels?
Die wichtigsten Ökolabels erfüllen die oben genannten Kriterien und lassen sich zudem auch ihre Inhalte von unabhängigen Standards überprüfen. So gibt es den Global Sustainable Tourism Council, der Zertifizierungsorganisationen überprüft und akkreditiert. Die Labels, die vom GSTC zumindest den Status „recognized“ haben – aber besser noch „approved“ – sind gute und robuste Label. Darüber hinaus sollten die Labels auch verschiedene Gruppen wie NGOs, Verbände, Umwelt- und Sozialorganisationen etc. in ihre Aktivitäten involvieren und somit weitere Glaubwürdigkeit schaffen. Und natürlich brauchen die Labels auch eine gewisse Zahl an zertifizierten Betrieben und eine Bekanntheit, um auch wahrgenommen werden zu können. In Deutschland sind nach einer aktuellen HNEE-Studie ca. ein Drittel der Nachhaltigkeitslabels im Tourismus als sehr gut, glaubwürdig und aussagekräftig einzustufen.
Und welche sind die schwarzen Schafe unter den Tourismuslabels?
Da es keinen offizielles „Qualitätszeichen“ für Labels gibt, kann man leider derzeit nicht erkennen, wie seriös ein Label auch tatsächlich ist. Die Verbraucherinitiative gibt regelmäßig Empfehlungen heraus und das Portal Labelonline.de bewertet auch verschiedene Nachhaltigkeitslabels. Ein No-go ist natürlich, wenn man nicht erkennen kann, nach welchen Kriterien und Verfahren das Label prüft. Darüber hinaus zeigt die Broschüre „Wegweiser durch den Labeldschungel im Tourismus“ auch auf, welche Nachhaltigkeitslabel im Tourismus bestimmte Anforderungen erfüllen.
Was ist Ihre Tendenz für die Zukunft? Wie werden sich Ökolabels im Tourismus entwickeln?
Labels werden auch in Zukunft für die nachhaltige Entwicklung des Tourismus eine große Rolle spielen. Sie unterstützen die Betriebe bei ihren Bestrebungen in Richtung Nachhaltigkeit, sie können Nachhaltigkeit messbar und belegbar machen und können auch Orientierung für den Gast geben. Allerdings müssen klarere Rahmenbedingungen für die Labels selbst gesetzt werden, damit die Glaubwürdigkeit der Siegel gewahrt bleibt und auch der Gast sicher sein kann, dass die Produkte hinter dem Label auch tatsächlich nachhaltig sind. Die Politik könnte hier in Zukunft aktiver werden und beispielsweise einen einheitlichen Qualitätsstandard für Nachhaltigkeit im Tourismus – ähnlich wie bei dem Bio-Zeichen im Lebensmittelhandel – einführen. Aber auch die touristischen Spitzenverbände sowie Sozial- und Umweltverbände können auf klare Qualitätsstandards für die Labels setzen und entsprechende Richtlinien etablieren. Im Bereich von nachhaltigen Destinationen hat der DTV dies bereits vollzogen: Mit der Schaffung eines Kriterien-Sets – welches alle wichtigen Labels und Standards in diesem Bereich einbezieht – wurden klare Anforderungen und Empfehlungen für die nachhaltige Entwicklung von Destinationen geschaffen, die nun von Labels in die Umsetzung gebracht werden können (Praxisleitfaden Nachhaltigkeit im Deutschlandtourismus 2016). Außerdem müssten die Labels untereinander viel intensiver miteinander kooperieren, um die Kommunikation mit dem Verbraucher verbessern zu können, Marketingorganisationen und die Touristiker wirksamer von Labels überzeugen zu können und gegenüber der staatlichen Seite mit einer Stimme auftreten zu können. Die Vielfalt der Tourismuslandschaft spiegelt sich zwar auch durch die Vielzahl der Zertifizierungen wider, jedoch müssen in Zukunft Kräfte gebündelt werden und die Nachhaltigkeitsleistung der Betriebe mittels eines Standards besser nach außen kommunizierbar gemacht werden. Hierfür ist allerdings auch ein klarer offizieller Qualitätsanspruch und die Notwendigkeit der staatlichen Einbindung von Nöten.
Über die Hochschule für nachhaltige Entwicklung
Seit über 180 Jahren ist der Standort Eberswalde der nachhaltigen Forschung und Lehre verpflichtet: Die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) wurde 1830 als Höhere Forstlehranstalt gegründet. Seit der Wiederaufnahme des Studienbetriebs 1992 am traditionellen Forst- und Holzforschungsstandort vor den Toren Berlins setzt die Hochschule auf Zukunftsbranchen und Schlüsselbereiche wie Erneuerbare Energien, Regionalmanagement, Nachhaltigen Tourismus, Naturschutz, Forstwirtschaft, Ökolandbau, Anpassung an den Klimawandel oder Nachhaltige Wirtschaft. Die HNE Eberswalde wurde 2009 vom Internetportal Utopia zur grünsten Hochschule Deutschlands erkoren. 2010 wurde die Hochschule mit dem europäischen EMAS-Award für ihr vorbildliches Umweltmanagement ausgezeichnet und seit 2014 ist sie klimaneutral.
Jana
6. September 2016, 17:42Danke für die interessanten Insights. Ich wünsche mir, als Naturliebhaber und Reisefreund, dass die Labels durchaus eine Gewichtung oder Referenz bekommen. Damit es wirklich nachhaltig werden kann …
Steven
6. September 2016, 17:45Ich denke eine Gewichtung zu schaffen wird sehr schwierig, da viele Siegel für viele Arten des Tourismus stehen. Eine Ökolodge im Dschungel braucht ein anderes Siegel als ein Campingplatz in Brandenburg. Aber ich verstehe wie du es meinst. Hast mal in den Wegweiser reingeschaut? Gruß, Steven
Pingback: WEEKEND READ: ARTIKEL ZUM LAZY LESEN – UND LERNEN - VIERTEL VOR
29. Mai 2019, 12:23