Der Mont Ventoux auf die sanfte Tour

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10 Dez

Der Mont Ventoux auf die sanfte Tour

10. Dezember 2016

Unehrlich fühle ich mich, als ich am Fuße des Mont Ventoux auf mein E-Bike steige. Bis zur letzten Sekunde hatten wir die Wahl. Rennrad oder E-Bike? Ein Blick in Vladis Augen. Er bleibt bei seinem Wort: „So lange wie wir kein Tandem nehmen, fahre ich nur mit elektrischer Unterstützung auf den Berg.“
Na gut, dann mal los.

Plötzlich auf einer Etappe der Tour de France

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Uns erwarten 21 Kilometer, über 1.600 Höhenmeter und eine durchschnittliche Steigung von etwa acht Prozent. Nie zuvor bin ich eine solche Bergetappe gefahren und niemals zuvor war ich auf einem Streckenabschnitt der Tour de France unterwegs.
Wir verlassen Bédoin. Drei asphaltierte Straßen führen ab Malaucène, Sault und eben Bédoin auf den Gipfel des Mont Ventoux. Unser Fahrradguide Kevin hat sich für den anspruchsvollsten Streckenabschnitt entschieden. Ohne uns zu fragen. Etwa eine Minute fahre ich ohne Unterstützung des Motors. Danach schalte ich den Motor ein. Es fährt sich entspannter. Aber von alleine radelt das E-Bike nicht. Leider.
In langsamen Schlängellinien tasten wir uns den Berg hinauf. Wir passieren Weinhänge und Rennradfahrer. Ziehen wir mit unseren E-Bikes an ihnen vorbei, wirkt es, als ob sie auf der Stelle treten würden. Ich ernte ein paar angewiderte Blicke. Als würden wir mogeln. „Für etwas sesshaftere und weniger sportliche Menschen“ empfiehlt Kevin ein E-Bike für die Besteigung des Mont Ventoux. Mich fordert der Aufstieg schon auf den ersten Kilometern.
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Meine Beine werden schwerer, der Atem schneller. Mein Rücken schwitzt und das sonst so luftige Laufshirt klebt an meinem Rücken. Vladi sieht nicht besser aus. Der erste von fünf Balken des Akkus erlischt.
1951 wurde der Mont Ventoux erstmals als Etappe der Tour de France befahren. Vom Gipfel soll man bei gutem Wetter bis zum Mittelmeer und in der anderen Richtung bis in die Alpen schauen können. Als wir die 900 Höhenmeter erreichen wird mir klar, wie kalt es oben sein wird. Mit kurzen Hosen und Shirts sind wir im Sonnenschein gestartet. Oben werden wir dicke Jacken benötigen. Die haben wir aber nicht dabei. Der zweite Balken erlischt.
Beim Aufstieg durchfahren wir alle Klimazonen Europas, meint Kevin. Anfangs ist es so warm wie am Mittelmeer, später so regnerisch wie in Großbritannien und auf dem Gipfel so kalt wie in Island.
Nach über drei Stunden wird der Gipfel sichtbar. Irgendwo hier oben kreuzen sich die Fernwanderwege GR 4 und GR 9. Wie gerne würde ich jetzt wandern.
Mein Akku zeigt noch einen Balken. Ich schalte auf Turbo, stehe auf, trete die Pedalen nach unten und fahre mit voller Kraft den letzten Kilometer hinauf. Meine Hände sind kalt, meine Stirn gefriert. Spätestens jetzt leuchtet mir die Bezeichnung „windiger Berg“ ein.
Wenige Minuten vor Vladi und Kevin erreiche ich keuchend den windigen Gipfel und bewundere als erster die Aussicht von hier oben. Eine dichte Wolkendecke umgibt uns, mein Körper ist ausgelaugt und leicht zittrig. Ich kaufe mir eine Cola und ein Snickers. Mein Blutzuckerspiegel steigt, ich fühle mich schnell besser.
Die Rückfahrt ist weniger anstrengend, aber nicht weniger gefährlich. Jährlich sterben zehn Menschen bei Auf- und Abfahrt. Einige weil sie die Anstrengungen unterschätzen. Andere, weil sie sich und ihr Rad bei der Abfahrt überschätzen. Wir gehen es gemächlich an.
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Plötzlich Bergsteiger in den Dentelles de Montmirail

Keine Stunde nach der Ankunft am Fuße des Berges im Hotel La Garance brechen wir wieder auf. Wir wollen auf dem Gipfel der Dentelles de Montmirail bei Sonnenuntergang picknicken. Erschöpft fahren wir ins Dorf Lafare. Hier treffen wir Élodie und Jean Luc. Der aufgeweckte Jean Luc ist unser Guide. Er will uns heute einen ganz besonderen Ort zeigen.
Wir steigen in seinen Jeep, brausen mit Lichtgeschwindigkeit über Schlaglöcher und erreichen nach wenigen Minuten die Dentelles de Montmirail. Ein Blick nach oben: 600 Meter gilt es nun zu wandern und zu klettern. Uff und das nach diesem Vormittag. Also setzen wir die Kletterhelme auf, packen unsere Sachen und marschieren den Berg hinauf. Erst wandern wir, dann wird gekraxelt und zum Schluss zwängen wir uns durch eine Höhle und quetschen uns zum Gipfel hoch. Meine Höhenangst muss ich ignorieren. Die Aussicht von oben über die Provence, den Mont Ventoux und die Rhône-Alpen in der Entfernung ist ohne Flunkern und ohne Übertreibung das Großartigste, was ich diesen Sommer gesehen habe.

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9 Grüne Reisetipps für eine Reise ins Vaucluse

Aktivitäten

1. Der Mont Ventoux ist ein Gigant. Bewandere oder befahre ihn mit dem Fahrrad, aber ausschließlich in deinem Tempo. Bist du kaputt und kannst nicht mehr, drehe einfach um.
2. Das Klettern auf die Dentelles de Montmirail ist nur mit Klettergurt, Seil und Erfahrung ohne Guide möglich. Falls du eines der drei Dinge nicht dabei hast, nimm einen Guide.
3. In der Distillerie Aroma’Plante dreht fast alles um Lavendel. Schau dir an, wie er verarbeitet wird und was daraus alles gemacht wird.
 

Übernachten

4. Das Hotel La Garance setzt auf eine regionale Küche und wird liebevoll bewirtet.
5. Die Villa Noria ist ein wunderschönes Gästehaus. Der Inhaber kocht selbst – er war jahrelang erfolgreicher Spitzenkoch. Vladi schwärmt noch heute von seiner Küche.
 

Essen & Trinken

6. Das Restaurant Les Lavandes ist sehr stillvoll eingerichtet und legt viel Wert auf eine gute Küche. Es ist fast zu schick und teuer um in Radierhosen dort zu speisen.
7. In Savoillan gibt es die Bio-Bäckerei „Le Soleil Levain“. Superleckere Croissants und Brote werden hier gebacken. Leider darf man vor Ort keine Fotos machen.
8. Odile und Jacqueline von den Aventurières du Goût bieten richtig tolle Kräuterkochkurse an. Darüber habe ich hier schon geschrieben.
9. Besuch das Weingut Domaine de Tales. Gael produziert fabelhafte Bio-Weine.
 
 
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Meine Reise in das Département Vaucluse wurde von Provence Tourismus und Atout France unterstützt und ermöglicht. Ziel war es Eindrücke französischer Naturregionen zu gewinnen und pro Region einen Film zu produzieren. Ich danke für diese Möglichkeit und garantiere, dass meine Meinung von der Einladung nicht beeinflusst wurde.

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Steven Hille

Steven ist der Autor des nachhaltigen Reiseblogs Funkloch. Irgendwann dachte er sich, dass er nur noch Projekte realisieren sollte, die einen guten Nutzen haben. Aus dieser Idee heraus sammelte er Spenden für ein Tigerbaby, unterstützte ein nationales Bienenprojekt, baute einen Brunnen in Uganda und gründete mit Freunden die NGO WeWater, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.

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