Feldheim – Ein Besuch im ersten energieautarken Ort Deutschlands.

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20 Mai

Feldheim – Ein Besuch im ersten energieautarken Ort Deutschlands.

20. Mai 2017

Vom Bahnhof Jüterbog starte ich den Tag in Richtung Feldheim. Es ist warm und die Sonne brennt mir schon am frühen Morgen auf den Armen. Die Vögel zwitschern, ein Reh kreuzt meinen Fahrradweg und verschwindet im Wald. Die Felder und Wiesen beherbergen eine gigantische Geräuschkulisse. Überall brummt und summt es im Naturpark Nuthe-Nieplitz. Käfer geben mir Begleitschutz und fliegen neben mir her, kleine Fliegen nutzen mein T-Shirt als Taxi und ich lerne, nachdem ich mindestens zwei Insekten verschluckt habe, durch die Nase zu atmen.

Schon aus der Ferne sehe ich den Windpark von Feldheim. Riesige Windkraftanlagen ragen bis zu 150 Meter in den Himmel. Ich halte an und lausche. Der Wind steht günstig – ich höre nichts. Nur das gemächliche drehen der Rotorblätter vernehme ich mit den Augen.


Von der Idee eines Studenten bis zum energieautarken Ort

Feldheim ist ein Ortsteil der Stadt Treuenbrietzen und liegt im Landkreis Potsdam-Mittelmark im Südwesten des Landes Brandenburg im Fläming. Bereits im Jahr 1993 beginnt hier die Geschichte erneuerbarer Energien.

Michael Raschemann war damals Student und interessierte sich für Windenergie. Seine Standortanalyse ergab, dass Feldheim aufgrund seiner Lage auf einem kleinen Hochplateau, ein guter Standort für Windenergie wäre. Ein Gespräch mit der ehemaligen Bürgermeisterin Iris Schmidt ebnete den Weg und brachte die Abstimmung vor den Gemeinderat. Mit Erfolg – die Einwohner waren dafür, sodass die ersten vier Windkraftanlagen in Feldheim gebaut wurden und seit 1995 Strom produzierten.

Dass ihr Mann so maßgeblich an der Entwicklung beteiligt war, erzählt Doreen Raschemann nur beiläufig. Ich habe sie um 10 Uhr im Neue Energien Forum Feldheim (NEF) getroffen. Sie zeigt mir eine Dauerausstellung, die das Energiekonzept der Stadt erklärt, begleitet mich zur Biogasanlage, zum Regionalen Regelkraftwerk, zum Windpark und auch zum Bürgermeister der Stadt Treuenbrietzen.

Damit du beim Lesen den Überblick behältst, habe ich eine kleine Übersicht gebastelt.

Feldheim - energieautark mit Hilfe von erneuerbaren Energien

Feldheim – energieautark mit Hilfe von erneuerbaren Energien

 

Windenergie in Feldheim (1)

Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Windpark Feldheims enorm. Inzwischen befinden sich 55 Windkraftanlagen in etwa eineinhalb Kilometer Entfernung vor dem Dorf. Und sogar eine Photovoltaikanlage wurde gebaut. (2)
Bestandteile der ersten Windkraftanlagen finden sich heute auf dem Hof des NEFs. Darunter sind zum Beispiel eine Gondel und einige Rotorblätter. Während die ersten Windkraftanlagen damals etwa eine Million Kilowattstunden pro Jahr produzierten, erzeugen die neusten Anlagen in Feldheim ganze neun Millionen Kilowattstunden pro Jahr.
Nur eine einzige der alten Windanlagen würde ausreichen um Feldheim mit elektrischer Energie zu versorgen, denn die 128 Dorfbewohner verbrauchen etwa eine Million Kilowattstunden im Jahr.

Windpark Feldheim

 

Strom und Wärme durch eine Biogasanlage (3)

Die autarke Energieversorgung erreichte Feldheim mit der Fertigstellung einer Biogasanlage. Sie wird mit Gülle, Maissilage und Getreideschrot betrieben.

Enlager (links) und Annahmebehälter Gülle (rechts)

Diese war anfangs von der Agrargenossenschaft nur gedacht um neben der Stromproduktion die Abwärme für einen Schweinestall (4) zu nutzen. Gleichzeitig dient der Stall als ausgezeichneter Lieferant von Gülle. Wieder waren es die Bürger, die die Planungen befeuerten. Immer mehr Einwohner Feldheims wollten die Wärmeenergie der Biogasanlage nutzen. Also schlossen sich die Bürger 2008 zur Feldheim Energie GmbH & Co. KG zusammen, wollten den Strom aus dem Windpark sowie Strom und Wärme der Biogasanlage nutzen.

Jeder Bürger zahlte 3.000 Euro in die neue Gesellschaft ein. Der fehlende Betrag wurde von der Europäischen Union und dem Land Brandenburg getragen. Dem Nahwärmenetz stand nichts mehr im Wege. In diesem Schritt wurde auch das Stromnetz des Dorfes saniert. 3000 Meter Kabel wurden in dem kleinen Dorf verlegt. Und dabei wurden auch gleich die Trinkwasserleitungen erneuert.

Eine Hackschnitzelheizung für besonders kalte Tage (5)

Bei hohen Minustemperaturen ist die Wärmeproduktion der Biogasanlage leider nicht ausreichend. Daher investierte Feldheim in eine Hackschnitzelheizung. Sie wird mit Holzresten aus der regionalen Forst- und Holzwirtschaft befeuert. Aber eben nur, wenn es besonders kalt wird.

Die Hackschnitzelanlage wird ausschließlich mit Abfallprodukten der regionalen Holzwirtschaft befeuert – und nur an besonders kalten Tagen im Winter

 

Batteriespeicher für Netzstabilität (6)

Einen weiteren Meilenstein erzielte Feldheim im September 2015, als das „Regionale Regelkraftwerk Feldheim“ ans Netz ging. Dabei handelt es sich um einen gigantischen Lithium-Ionen-Energiespeicher, der vor zwei Jahren noch als der größte Europas galt. Er sorgt mit seiner Leistung für Netzstabilität: Bei hoher Stromproduktion, beispielsweise bei viel Wind, entlastet der Speicher kurzfristig das Netz und nimmt die Energie auf. Wenn die Sonne nicht scheint oder Flaute herrscht, geschieht das Gegenteil. Dann gibt der Speicher innerhalb von Sekunden Leistung ab.

Der Batteriespeicher wurde u.a. aus dem europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert.

Von außen nur eine 17×30 Meter große Halle. Innen modernste Technologie.

 

Neue Energien Forum Feldheim (7)

Das Zusammenspiel der einzelnen Anlagen, Gesellschafter und Abnehmer von Strom und Wärme in Feldheim ist komplex. Ich hoffe, dass ich trotzdem einen kurzen Überblick geben konnte.

Über die genauen Wirkungsweisen informiert das Neue Energien Forum in Feldheim. Neben dem Modellort Feldheim, informiert das Forum auch über erneuerbare Energien und Klimaschutz im Allgemeinen. Schüler, Studenten und interessierte Menschen aus dem Ausland kommen regelmäßig vorbei. Etwa 4000 Besucher zählt das kleine Dorf pro Jahr.
Anfangs musste für die Information ein kleiner Infocontainer herhalten. Aus Mitteln des europäischen Fonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes (ELER) (75%) und Spenden (25%) wurde die Sanierung eines ehemaligen Vierseithofes finanziert. Nachdem das Gebäude als Gaststätte genutzt wurde und dann jahrelang leer stand, entstand dort das neue Informations- und Beratungszentrum. Es leistet heute einen großen Anteil bei der Vermittlung von Wissen zu erneuerbaren Energien und Klimaschutz.

Das NEUE ENERGIEN FORUM FELDHEIM von oben

Bei einem Besuch beim Bürgermeister von Treuenbrietzen kommt die Frage nach dem Geheimnis des Erfolges auf. Michael Knape stellt fest, dass sich Feldheim ohne das Engagement seiner Bürger nie so großartig entwickelt hätte. Es war ein wichtiger und richtiger Schritt den Weg zusammen mit den Einwohnern zu gehen und gemeinsam neue Lösung zu entwickeln. Jeder einzelne Akteur hatte seinen Anteil an dem Vorhaben, das bisher weltweit einzigartig ist und den Weg in Richtung Energiewende zeigt.

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Mein Besuch in Feldheim ist Teil einer vierwöchigen Fahrradtour durch Brandenburg, auf der ich mir EU-geförderte Projekte ansehe. Auf brandenburg-da-geht-was.de blogge ich etwa alle zwei Tage über meine Erlebnisse und stelle geförderte Projekte und Unternehmungen vor. Schau doch mal vorbei.

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Steven Hille

Steven ist der Autor des nachhaltigen Reiseblogs Funkloch. Irgendwann dachte er sich, dass er nur noch Projekte realisieren sollte, die einen guten Nutzen haben. Aus dieser Idee heraus sammelte er Spenden für ein Tigerbaby, unterstützte ein nationales Bienenprojekt, baute einen Brunnen in Uganda und gründete mit Freunden die NGO WeWater, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.

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