Einsamkeit auf Reisen? Fehlanzeige.

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22 Feb

Einsamkeit auf Reisen? Fehlanzeige.

22. Februar 2014

Unser ganzes Leben über beschäftigen uns Ängste. Wir haben Angst vor der Führerscheinprüfung, dem neuen Arbeitsplatz oder gar davor, neue Bekanntschaften zu machen. Doch nicht die Angst vor neuen Bekanntschaften ist das, was uns Sorgen bereitet. Es ist die Angst alleine zu sein. Einsamkeit ist etwas so Furchtbares, dass Backpacker und andere Reisende oft mit Freunden oder der Familie unterwegs sind. Ich habe in den letzten Monaten gelernt, dass Einsamkeit das letzte ist, worüber du dir auf Reisen sorgen machen solltest.
Früher konnte ich es mir auch nicht vorstellen. Ganz alleine über ein Wochenende nach Madrid? Unmöglich. Okay, na gut, ein Wochenende wäre sicher noch gegangen. Aber noch länger? Auf keinen Fall!
Ich bewunderte vor ein paar Jahren einen guten Freund, der seine Sachen packte und für ein paar Wochen ganz alleine nach Kanada flog. Damals war ich etwa 16 Jahre alt und konnte es mir im Leben nicht vorstellen. Er fand es super, denn er konnte selbst bestimmen wann er Gesellschaft genießt und wann er lieber alleine ist. Heute kann ich seine Meinung nachvollziehen.
Vor meiner Reise nach Asien war die befürchtete Einsamkeit tatsächlich meine größte Sorge. Und das ist wirklich ein Kunststück, da ich auf gut deutsch gesagt oft ein echter Schisser bin und diese Angst nicht die einzige war. So habe ich zum Beispiel aus der Unsicherheit heraus, dass ich meine Kreditkarte verlieren könnte, eine weitere bei einer zweiten Bank beantragt.
Und aus der Angst heraus, dass ich den Zug, den Bus oder das Flugzeug verpassen könnte, war ich oft viel zu zeitig vor Ort. Doch gegen die Einsamkeit gab es aus meiner damaligen Sicht keine Prophylaxe.
Heute weiß ich, dass es sie gibt: Hostels, Restaurants, Tagesausflüge und eine offene Einstellung.

Hostels als Hauptquelle für Bekanntschaften und gute Reisetipps.

Während ich früher auf jeden Fall ein Einzelzimmer in einem Hotel gebucht hätte, kann ich mir eine lange Reise ohne überfüllte und stickige Hostelzimmer gar nicht mehr vorstellen. Hostels sind für mich der ideale Ort, um neue Menschen kennenzulernen, von ihnen Ausflugs- und Ausgehtipps zu erhalten und eine Menge Spaß zu haben.

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Schon bei der Ankunft in Tokio, weit nach 22 Uhr Ortszeit, wurde ich dort herzlich vom Personal begrüßt, bekam mein Zimmer gezeigt und wurde von den anderen Gästen nett aufgenommen. Anschließend wurde ich gleich nach meiner Planung für den nächsten Tag befragt. Da ich erstmal froh war, im fast 9.000 Kilometer entfernten Tokio wohl behütet angekommen zu sein, hatte ich mir darüber noch gar keine Gedanken gemacht. Also zückte Michael aus Irland seinen Stadtplan und markierte mir die Hotspots der Millionenmetropole. Als er nach einem fast dreißigminütigen Monolog endete, zeigte er mir sogar die Duschen, nach denen ich eigentlich gefragt hatte.
Gut, manchmal traf ich wirklich seltsame Menschen in den Hostels Asiens, jedoch überwiegten in jedem Fall die positiven Erfahrungen. Vor allem die Erlebnisse mit den Menschen, allen voran Rahul, King und Frankie, die ich in Taiwan traf, möchte ich auf keinen Fall mehr missen.
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Restaurants gegen Einsamkeit auf Reisen.

Trotz der guten Hostelerfahrungen machte ich zweimal den Fehler, dass ich Hotelzimmer buchte. Diese Nächte waren zwar definitiv die ruhigsten meiner Reise, aber nicht gerade die spannendsten. Also ging ich abends verstärkt in Restaurants und Bars. Nicht mit der puren Absicht um jeden Preis jemanden kennenzulernen, sondern eher, um unter Menschen zu sein.
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Und super oft ergaben sich daraus tolle Gespräche und Bekanntschaften. Da denke ich zum Beispiel an Hitoshi, den Kellner in Hiroshima, der mich auf Sake und Austern einlud oder an Andrew, den Apple Programmierer aus Cupertino, mit dem ich ein Fischrestaurant besuchte und dabei eine riesige Landschildkröte traf.
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Gerne erinnere ich mich auch an Tokumi und seine Frau. Das ältere Ehepaar traf ich in einem Restaurant in Kyoto. Und weil ich einen Platz zur Seite rutschte, so dass Tokumi neben seiner Frau sitzen konnte, lud er mich zu sich nach Hause ein und bot mir im Laufe unseres Gespräches einen Job an. Erst gestern habe ich ihm eine E-Mail geschrieben. Mal sehen, ob und wann er antwortet.
Irgendwie ticken die Menschen in Japan und Co. anders. Während hier jeder stur und ohne Blick zur Seite seinen eigenen Weg verfolgt, sind die Menschen in den asiatischen Ländern viel offener und interessieren sich sehr für das Leben der anderen. So freundete ich mich nicht nur mit anderen Restaurantgästen an, sondern einige Male auch mit dem Personal.
Natürlich trifft das, wie so oft, nicht auf alle Restaurantbesuche zu. Besonders schwierig wird es, wenn die Tische weit auseinander stehen oder es nicht die Möglichkeit gab an der Bar zu sitzen.

Tagesausflüge für eine Portion Abwechslung.

Wenn ich reise, dann bin ich auch gerne mal nur mit mir selbst beschäftigt. Ich nutze die Zeit, um über Dinge nachzudenken und meinen Kopf zu sortieren. Das habe ich jedoch nicht über die gesamte Dauer meiner Reise und an jedem Tag gemacht.
Oft empfiehlt es sich auch, geführte Touren samt Anreise und Guide zu buchen. Auf der einen Seite entspannt es dich, mal etwas nicht selbst organisieren zu müssen und auf der anderen Seite lernt man dabei schnell neue Leute kennen. Den kuriosesten Tagesausflug hatte ich in Taiwan, denn auf dem Weg zur Raftingtour saß ich in einem Minibus mit ausschließlich chinesischsprachigen Asiaten. Witzigerweise haben wir uns trotzdem etwas „unterhalten“ und eine Beziehung zueinander aufgebaut. Mit zwei der jungen Chinesinnen bin ich noch heute auf Facebook befreundet, auch wenn wir nicht die sprachlichen Möglichkeiten haben, uns auszutauschen.

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Alles eine Frage der Einstellung.
All diese Bekanntschaften und netten Unterhaltungen konnte ich nur erfahren, weil ich mit einer aufgeschlossenen Einstellung gereist bin. Ich bin nicht gerade der Typ, der auf der Straße permanent Menschen anspricht, um mit ihnen in Kontakt zu kommen, aber etwas Aufgeschlossenheit und Interesse für andere Kulturen gehört  eben auch dazu.
Durch die Länder Japan und Taiwan reiste ich in etwa vier Wochen ganz alleine. Anschließend traf ich meine damalige Freundin in Singapur und reiste mit ihr weitere vier Wochen durch Malaysia und Thailand. Rückblickend kann ich sagen, dass das jeweils zwei komplett unterschiedliche Reisen waren.
Weil ich im ersten Monat so viele Bekanntschaften machte, lernte ich Land und Leute aus der Perspektive eines Einheimischen kennen. Wir tauschten uns über Bildung, Arbeit, Wirtschaft und viele weitere Themen aus, die ich aus Büchern oder den Medien nie erfahren hätte. Ich lernte die Menschen kennen, denen ich begegnete und lernte sie schätzen.
Den zweiten Teil der Reise verbrachte ich etwas abgeschotteter. Sobald ich nicht mehr alleine reiste, hatte ich jemanden zum Austauschen. Jemanden, mit dem ich meine Gedanken und Eindrücke teilen konnte. Ich war nicht mehr auf den Austausch mit den Einheimischen angewiesen und ging nicht mehr so offen auf sie zu. Nicht vorsätzlich, sondern rein unterbewusst.
Und genau weil ich beide Erfahrungen gemacht habe, spreche ich dir heute Mut zu. Reise auch mal alleine! Unterhalte dich mit Menschen vor Ort und lerne dein Reiseziel aus der Perspektive eines Einheimischen kennen. Und über Einsamkeit auf Reisen musst du dir wirklich keine Sorgen machen.
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Kommentare
  • Heike
    25. Februar 2016, 11:50

    Hi,
    ich weiß zwar nicht, ob das jetzt noch jemand liest, aber ich finde deinen Beitrag sehr interessant und kann ihn teilweise bestätigen, teilweise muss ich ein „ABER“ einwerfen.
    Ich bin 52 und letztes Jahr das erste Mal alleine in Vietnam gewesen. Ich bin schon sehr aufgeschlossen und kontaktfreudig und die Leute dort (Backpacker und Vietnamesen) auch, aber es ist vielleicht auch auf Grund meines Alters schon etwas schwieriger, Kontakt zu finden – zumal ich nur ein bis maximal drei Nächte an einem Ort war.
    Ich war in einfachen Hotels, die in Vietnam recht billig sind, habe Ausflüge mitgemacht und war abends viel aus. Also eigentlich massig Gelegenheit, Leute kennenzulernen. Durch den kurzen Aufenthalt an den einzelnen Orten konnte ich aber Kontakte, die sich ergaben, nicht weiter verfolgen, weil ich meine Reiseroute auch festgelegt hatte und die in der Regel anders war als die anderer Reisender – wenn wir auch oft die gleichen Ziele hatten.
    Aber ich habe auch Kontakte geknüpft zu Einheimischen, der eine hat mich sogar zu sich nach Hause eingeladen, das wäre sicherlich nicht passiert, wenn ich nicht alleine unterwegs gewesen wäre.
    Trotzdem war ich abends oft einsam, vor allem, wenn in einem Restaurant/einer Bar eine größere Gruppe 18 – 25jähriger Backpacker lustig feierten und ich an einem anderen Tisch alleine saß. Dass die nicht auf die Idee kommen, mich dazu zu bitten, finde ich ja auch verständlich, das fällt denen ja gar nicht auf, aber ich vermute mal, dass man, wenn man etwas älter ist und nicht so ein typischer Backpacker, halt auch etwas schwieriger Anschluss findet.
    Das wäre so meine Anmerkung – alleine reisen ist kein Problem, aber es gibt doch gewisse Einschränkungen, wenn man älter wird.
    In ein Hostal würde ich nicht trotzdem nicht unbedingt gehen – würde mich eben auch aus Altersgründen nicht wohl fühlen.
    Den besten Abend hatte ich in einer Bar in Saigon, wo Einheimische und Backpacker munter ins Neue Jahr feierten und man unglaublich nett integriert wurde – Alter egal. Aber da waren auch keine Tische, es wurde getanzt und die oft festen Fronten (Einheimisch/Backpacker/Jung/Alt/Männlein/Weiblein oder sonstige) waren völlig aufgelöst. Das war aber tatsächlich das einzige Mal, wo ich so super herzlich mit integriert wurde.
    Ich werde dieses Jahr trotzdem wieder alleine verreisen – diesmal nach Kuba. Ich freue mich schon darauf. Diesmal weiß ich ja, worauf ich mich einlasse.

  • Kerstin
    15. Dezember 2016, 15:15

    Als jüngerer Mensch findet man nun mal in der Regel schneller Kontakt zu anderen Reisenden. Wenn ich über 30 bin, habe ich vielleicht andere Prioritäten, als vom Junggemüse Oma genannt zu werden.

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Steven Hille

Steven ist der Autor des nachhaltigen Reiseblogs Funkloch. Irgendwann dachte er sich, dass er nur noch Projekte realisieren sollte, die einen guten Nutzen haben. Aus dieser Idee heraus sammelte er Spenden für ein Tigerbaby, unterstützte ein nationales Bienenprojekt, baute einen Brunnen in Uganda und gründete mit Freunden die NGO WeWater, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.

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