Danke Ahmed.
von Peter Althaus
Es ist bereits kurz vor 21 Uhr an diesem warmen Augusttag im Jahr 2008. Seit geschlagenen vier Stunden stehe ich am Straßenrand der Stadt Denizli in der Türkei, auf halbem Weg zwischen Izmir und Antalya. Ich habe bereits den halben Tag damit verbracht mich immer weiter in Richtung meines Tagesziels Antalya mitnehmen zu lassen. Viele freundliche Menschen haben mich mitgenommen aber auch einige seltsame. Ein LKW-Fahrer hat mich eine Stunde durch ein Gewerbegebiet mitgenommen, nur um mich an der Straße etwa fünf Kilometer weiter rauszulassen. Ich haste meinem Zeitplan hinterher. Aber den sollte man beim Trampen sowieso nicht haben.
Ich bin mittlerweile ziemlich müde und es ist schon dunkel. Wo vorher noch Menschen mir aus den Auto freundlich zugewunken hatten, blitzen mich nur noch Scheinwerfer an. Ich spiele mit dem Gedanken, mir eine Unterkunft zu suchen und meinem Couchsurfing-Gastgeber abzusagen. Doch dann hält plötzlich ein weinroter Volkswagen an und schaltet den Warnblinker an. Ich frage wo der Fahrer hin möchte. Er gibt mir zu verstehen, dass er mich zum Busbahnhof bringen möchte. Ich winke dankend ab und will die Tür schließen, doch er insistiert und zeigt in Richtung Antalya, dass ich doch erstmal einsteigen soll. Ich bin mittlerweile so geschafft, dass ich schließlich doch einwillige. Im Auto beginnt der Mann mir in sehr gebrochenem Englisch zu erklären, dass er mich nun zum Busbahnhof bringt. Ich versuche ihm zu erklären, dass ich lieber trampe. Er kann damit kaum etwas anfangen und versteht auch nicht so richtig, warum ich das als Europäer eigentlich mache. Schließlich willige ich ein, habe ich so zumindest noch eine Chance doch noch sicher nach Antalya zu kommen.
Der Mann heißt Ahmed und ist gläubiger Moslem. An seinem Spiegel hängt eine Gebetskette sowie ein Fanwimpel von Fenerbahce Istanbul. Ich spreche ihn darauf an, denn Fenerbahce-Fans haben mich bisher immer wieder auf meiner Türkeireise mitgenommen. Auch mein Istanbuler Gastgeber war Fenerbahce-Fan. Ahmet erzählt mir von seiner Familie, so gut es geht. Er hat vier Kinder und geht jeden Tag in die Moschee. Nach knapp zehn Minuten kommen wir am Busbahnhof an. Ahmed steigt aus und sucht den Ticketschalter, fragt, ob noch ein Bus nach Antalya fährt. Ja, zwanzig Minuten später geht der letzte Bus nach Antalya, übersetzt er mir wieder halb in Türkisch, halb in Englisch. Ahmed deutet mir an, dass er los muss. Doch nun geschieht etwas, womit ich überhaupt nicht gerechnet habe. Er nimmt sein Lederportemonnaie aus der Tasche und zieht einen 100 Lira-Schein heraus (damals rund 60 Euro). Ich bin total perplex und lehne dankend ab. Ich erkläre ihm, dass Geld kein Problem sei. Er insistiert dennoch und für rund drei Minuten legen wir uns den Geldschein mit diversen Begründungen hin und her. Seine wichtigste Begründung: Er sei gläubiger Moslem und es sei Ramadan. Er müsse den Armen helfen. Meine: Ich bin nicht arm und mache das nur zum Spaß. Ich versuche ihm den Schein in die Brusttasche seines karierten Hemdes zu stecken. Er drückt ihn mir wieder in die Hand. Schlussendlich gebe ich auf und nehme das Geld, sonst wäre er wohl nie zu seiner Familie heimgekehrt. Zum Abschied umarmen wir uns wie alte Freunde. Er wünscht mir viel Glück auf meiner Reise. Er hinterlässt weder eine Telefonnummer, noch eine Visitenkarte und auch keine E-Mail-Adresse.
Ahmed, dieser Mann mit der gepflegten Halbglatze, mit diesem Schnurrbart und einer Uhr mit Lederarmband – er hat soeben das wohl Netteste getan, was ein Türke auf meiner Reise getan hat. Nachdenklich sitze ich die kommenden Stunden im Bus. Es geht in Richtung Küste. Ich fühle mich schlecht, weil ich den Schein irgendwann doch genommen habe. In Antalya komme ich schließlich gegen 2 Uhr nachts bei meinem Gasteber Can an.
Mein schlechtes Gewissen, weil ich das Geld nicht gebraucht hätte begleitet mich durch die Nacht. Schließlich finde ich doch eine Lösung, mit der ich glaube, dass Ahmed auch mit ihr glücklich gewesen wäre. Ich spende das Geld nach und nach an diverse Bettler in der Türkei und in Syrien – sogar noch etwas mehr, denn mir brachte es Freude. Ich hoffe, dass ich damit diese unglaubliche Freundlichkeit wieder gut machen konnte. Und immer wenn das erste Fastenbrechen des Ramadan ansteht, dann denke ich an ihn. Diesen liebenswürdigen Menschen, der mir geholfen hat mein Ziel doch noch zu erreichen.
Danke Ahmed, wo auch immer Du bist!
Dieser Beitrag von Peter ist Teil der Gute-Taten-Serie im Advent.
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Wenn Peter auf Reisen ist, dann braucht er nur seinen Rucksack und sich selbst. Er reist günstig durch Europa und die Welt und hat bereits 50 Länder bereist. Seit über zwölf Jahren ist er nun schon als Backpacker unterwegs und begeisterter Couchsurfer. Wenn ihr selbst mal ein Plätzchen für Peter habt oder bei ihm in Jena für eine Weile couchsurfend wollt, so führt die beste Kontaktaufnahme wohl über seinen Blog „Rooksack“.
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