Corporate Social Responsibility oder Nachhaltigkeitslügen?

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Baumhaus Frankreich
12 Dez

Corporate Social Responsibility oder Nachhaltigkeitslügen?

12. Dezember 2015

Corporate Social Responsibility, Nachhaltigkeitsmanagement oder Nachhaltigkeitslügen zu Marketingzwecken?
Beispiele und Kritik zur CSR

Letztens stolperte ich bei dm über dieses Plakat zum Recycling alter Deodosen. An Corporate Social Responsibility war da bei mir noch nicht zu denken.
dm und Unilever starteten unter der Initiative „R’cycle!“ eine deutschlandweite Kampagne, bei der Deodosen gesammelt werden und zu Kinderfahrräder recycelt werden. 400 Deodosen ergeben nach Aussage der Unternehmen ein Kinderfahrrad.
Recycling von dm und Unilever.
Erst dachte ich: „Cool!“, dann dachte ich: „Marketing!“ und dann dachte ich: „Naja, aber Kinderfahrräder kommen im besten Fall trotzdem dabei raus“. Mein Gedankenverlauf illustriert ganz gut, in welchem Spannungsfeld wir uns bewegen, wenn wir uns mit dem Thema der sozialen Verantwortung von Unternehmen auseinandersetzen möchten. Das Stichwort ist: CSR – Corporate Social Responsibility.
CSR meint den freiwilligen Beitrag von Wirtschaftsunternehmen zu einer nachhaltigen Entwicklung, die über gesetzlichen Forderungen hinausgeht. Corporate Social Responsibility steht folglich für verantwortliches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit, über ökologisch relevante Aspekte bis hin zu den sozialen Beziehungen mit Mitarbeitern. Übersetzt werden kann der Begriff der Corporate Social Responsibility mit Unternehmerischer Sozialverantwortung oder Unternehmerischer Gesellschaftsverantwortung. 
Unternehmen unterstützen soziale Projekte oder starten Nachhaltigkeitsaktionen im Rahmen von öffentlichkeitswirkamen Kampagnen. Der Grund nach außen ist, dass sie sehr interessiert an unserem Planeten sind und Menschen helfen wollen. Als wahren Grund unterstelle ich jetzt mal das Image, das sie sich gern aufbauen möchten, Gewinnerzielung oder Aufmerksamkeit für die eigene Unternehmensethik. Diese Kampagnen sind meistens nicht sonderlich teuer für Unternehmen, können aber (wenn sie gut gemacht sind) die Wahrnehmung der Menschen im Bezug auf das Unternehmen maßgeblich beeinflussen. Die Frage, die ich mir nun stelle: Ist das denn so schlimm? Natürlich verfolgt hier jeder seine Interessen, aber wenn die Unternehmen tatsächlich etwas sinnstiftendes beitragen, dann hilft es ja auch den Kindern oder der Umwelt im Rahmen des Nachhaltigkeitsmanagements oder für was oder wen sie sich die Unternehmen auch sonst einsetzen. Um mich der Fragestellung anzunähern, habe ich mir mal wahllos ein paar Beispiele entsprechender CSR-Kampagnen angesehen.

 

Krombacher Regenwald Projekt

Das CSR Projekt für den Regenwald von Krombacher.

Die Biermarke Krombacher warb bis vor einigen Jahren damit, dass pro verkaufter Bierkasten ein Quadratmeter Regenwald gerettet wird. Diese Aktion der sozialen Verantwortung eines Bierproduzenten wurde zusammen mit der WWF durchgeführt. Die Kampagne ist jedoch nicht ausschließlich positiv aufgenommen worden. Corporate Social Responsibility Kritik wurde unter anderem geäußert, da das Vorhaben sehr aggressiv beworben und der Firma Greenwashing vorgeworfen wurde. Greenwashing bezeichnet die Methode von Unternehmen sich als umweltbewusst darzustellen,  dies aber nicht hinreichend umzusetzen. Außerdem wurde die erfundene Währung „Quadratmeter Regenwald“ kritisiert, denn das mache nicht klar, dass pro Bierkasten nur knapp 5 Cent gespendet wurden. In einem Artikel von der taz beschreibt der Krombacher-Sprecher Weihrauch, dass viele Briefe von Kunden eingegangen wären, die danach fragten, was Krombacher eigentlich für den Umweltschutz im eigenen Unternehmen tut. Die eigene Unternehmensethik wurde also durch die Verbraucher auf den Prüfstand gestellt. Mittlerweile sei einiges im Unternehmen angepasst worden, aber die Frage kann und sollte man bei jeder dieser vermeintlichen Greenwashing bzw. CSR-Kampagnen stellen. Was nützt es ein Umweltprojekt an der einen Stelle zu unterstützen und im eigenen Haus nicht darauf zu achten? Krombacher spendet weiter an den Regenwald aber es wird nicht mehr mit der Gleichung 1 Kasten = 1 qm geworben.

Project The Last Mile von Coca-Cola

Das CSR Projekt "The Last Mile" von Coca-Cola.
Als größter Getränkehersteller der Welt vertreibt Coca-Cola seine Produkte so gut wie überall auf dieser Welt. Selbst in nahezu von der Zivilisation abgeschnittenen Dörfern findet man die braune Brause. Das kann man schon ziemlich gruselig finden, ist jedoch ein anderes Thema. Coca-Cola unterstützt mit seinem riesigen Vertriebsnetzwerk das Projekt The Last Mile. Die Initiative sorgt dafür, dass Medikamente auch in entfernteste Gebiete in Tansania gelangen. Laut Aussage von Coca-Cola, wurden in Tansania mit Hilfe des Proiekts seit 2010 die Lieferzeiten von Medikamenten von 30 auf 5 Tage deutlich verringert. Das Projekt wurde 2012 auch auf Ghana ausgeweitet. Involviert sind neben Coca-Cola auch NGOs und Regierungen. Hier gibt es eine Infografik zum Projekt inklusiver aller beteiligten Organisationen.

Soweit so gut. Medikamente werden dringend benötigt und Coca-Cola hilft dabei, diese zu beschaffen. Doch eine Frage drängt sich mir auf: Ist das nicht Doppelmoral in Reinform? Ein Unternehmen, das (entschuldigt die Verallgemeinerung und den Ausdruck) Kinder fett macht und sicherlich in der westlichen Gesellschaft für so einige Krankheiten mitverantwortlich ist, sorgt dafür, dass Krankheiten behandelt werden? Was ist das für ein Konzept? Hier Schaden erzeugen und dort bekämpfen? Hat ein Kind hier Diabetes, haben wir an anderer Stelle geholfen Malaria-Medikamente zu transportieren.
Natürlich sind diese Aussagen überspitzt, doch ich denke es ist wichtig, dass solche Aktionen nicht einfach nur hingenommen oder im schlechtesten Falle heroisiert werden. Es muss jedem klar sein, dass es sich um das Kalkül eines riesigen Konzerns handelt, der keinen nachhaltigen Ursprung hat. Ein Konzern, der kein Gewissen hat, wenig soziale Verantwortung zeigt und lediglich das Ziel Profit zu erwirtschaften. Nichtsdestotrotz haben sie den Menschen in Tansania geholfen (wenn man ihren Berichten glauben darf). Auch wenn es hierzu keine abschließende Bewertung gibt, müssen wir alle uns solche Zusammenhänge immer wieder bewusst machen und jede Corporate Social Responsibility Kampagne kritisch betrachten.

Pritt Nachhaltigkeitskampagne online

Pritt_CSR
Im kleinen Rahmen startete der Konzern Henkel für sein Produkt Pritt eine Nachhaltigkeitskampagne. Zielgruppe sind hier Kinder und Eltern. Der Klebestift wird zu 90% aus natürlichen Inhaltsstoffen hergestellt und ist frei von Lösungsmitteln und PVC. Auf einer Website können die Kinder (und ihre Eltern) nun erkunden, wie ein Prittstift hergestellt wird und in unseren Regalen landet. Diese Online-Reise ist spielerisch mit Bastelanleitungen usw. untermalt. Hier wird schon versucht bei den Jüngsten ein grünes Image aufzubauen. Im Falle Pritt bin ich selbst sehr überrascht, da Kleber für mich gedanklich immer ein rein chemisches Produkt war und ich nicht wusste, dass Pritt hauptsächlich aus Wasser, Kartoffelstärke und Zucker besteht. Es handelt sich also um ein Produkt, das wesentlich mehr soziale und ökologische Verantwortung zeigt, als ich jemals angenommen hätte.

Fazit zur Kritik an der Corporate Social Responsibility der drei Unternehmen

Vergleicht man die drei völlig unterschiedlichen Kampagnen, ist die Nachhaltigkeitskampagne von Pritt die einzige, in der Nachhaltigkeit zunächst vom Produkt aus gedacht wurde und dann in eine Kampagne umgewandelt wurde. Die Corporate Social Responsibility (CSR) erscheint bei Pritt sehr glaubhaft. Weder Coca-Cola, noch Krombacher haben sonderlich nachhaltige Produkte. Somit hat Pritt hier einen allumfassenden Nachhaltigkeitsgedanken, der glaubwürdiger wirkt. Denn die Kritik, die an Krombacher geübt wurde, ist berechtigt. Es ist einfach, schnell mal ein paar Euro an externe Projekte zu spenden, anstatt sich mit seinen eigenen Nachhaltigkeitsstandards zu beschäftigen. Insgesamt ist bei der Recherche aufgefallen, dass jedes Unternehmen, das ich mir ansah, das Thema Nachhaltigkeit kommuniziert. Fast alle größeren Unternehmen haben eine Art Nachhaltigkeitsagenda und haben das Thema in der Unternehmensethik verankert. Sie versuchen damit entlang ihrer Wertschöpfungskette möglichst nachhaltig zu agieren (z.B. nachhaltige Landwirtschaft, wenig Wasserverbrauch bei Produktion etc.). Das Thema ist bei den Unternehmen angekommen und wird mit offenen Augen von der Bevölkerung überwacht. Dennoch ist nicht immer klar, wie nachhaltig die Firmen wirklich agieren (Stichwort VW). Der Zweck einer Unternehmung ist es immer noch Gewinnerzielung, es zählen nackte Umsatz- und Gewinnzahlen. Der Druck von Außen sorgt dafür, dass die Nachhaltigkeit auf die Unternehmensagenda gesetzt wird. Nach Außen mag sie einen großen Stellenwert haben, doch ich wage zu bezweifeln, dass das Thema in den meisten Fällen wirklich so wichtig ist.

Wie anfangs bereits erwähnt, leisten die Unternehmen trotz aller Kritik natürlich einen Beitrag zu ihrem jeweiligen Nachhaltigkeitsthema. Das kann erst einmal als positiv bewertet werden. Dass Nachhaltigkeit im Blickfeld der Wirtschaft gelandet ist, ist ebenfalls ein riesiger Schritt und kann sicherlich zu einem großen Teil dem Druck der Bevölkerung und Politik zugeschrieben werden. Mittlerweile gibt es mit Enorm sogar ein nachhaltiges bzw. soziales Wirtschaftsmagazin. Dennoch ist natürlich noch sehr viel Luft nach oben. Und was steht da oben als Ziel? Hier tauchen Schlagwörter wie Green Economy und nachhaltige Geschäftsmodelle auf, mit denen ich mich im nächsten Blogpost beschäftigen werde.

Zum Abschluss noch eine kleines Denksportaufgabe: Vor ein paar Tagen sprach einer meiner Professoren zufällig das Thema an. Er war auf einer Nachhaltigkeits-Tagung und hat einen Vortrag mit dem Titel „Nachhaltigkeit als produktive Fiktion“ gehalten.
Was könnte das wohl bedeuten?
Viel Spaß beim Grübeln!

Kommentar
  • Sabrina
    13. Januar 2016, 14:28

    Sehr schöner und vor allem gut verständlicher Beitrag zu CSR. Die Grenzen zwischen Marketing und CSR-Maßnahmen sind ja inzwischen sehr fließend – und für die Unternehmen in der Regel doppelt lohnend. Wenngleich ich ebenso glaube, dass es deutlich öfter um die positiven Nebeneffekte denn über die Nachhaltigkeit an sich geht. Immerhin sind laut Studien über 70% der Konsumenten heute bereit, eine Marke/ein Produkt zu empfehlen oder gar zu wechseln, wenn dadurch nachhaltige Projekte unterstützt werden.

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Johanna

Johanna lebte 2014/15 während ihres Studiums der Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation fast ein Jahr in Valencia. Mittlerweile arbeitet sie als New Work- und Digital Transformation Beraterin in ihrer Heimatstadt Berlin und kehrt trotzdem mindestens einmal im Jahr in ihre "2. Heimat" am Mittelmeer zurück. Steven und Johanna kennen sich schon ziemlich lange und deswegen darf sie hier auch ab und zu ihren Senf dazu geben.

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