Brunnenbauertagebuch. #1
vom 22. und 23. Februar
Als ich im letzten Jahr lernte, dass es einen Unterschied zwischen europäischer und afrikanischer Zeit gibt, merkte ich innerhalb des ersten Tages, dass damit nicht die Zeitverschiebung gemeint ist. Hier in Uganda ticken die Uhren anders. Doch der Reihe nach.
Willkommen bei Freunden: Zurück in Nandere.
Am Montag Morgen kurz vor vier Uhr landete ich in Kampala. Da Father Joseph, der mich abholen wollte, noch nicht vor Ort war, nutzte ich die Zeit um Geld zu wechseln und mir eine neue Simcard zu kaufen. Ich wollte den Mobilfunkanbieter von airtel auf MTN wechseln, da airtel zwar eine deutlich höhere Internetgeschwindigkeit anbietet, aber es sehr schwer ist die Simcard in den Dörfern aufzuladen. Schnelles Internet nutzt eben auch ohne Guthaben nichts. MTN ist da schon zahlreicher vertreten.
Während ich zum Eingang zurücktrottete und ein letztes Mal prüfte, ob die Simcard auch funktionierte, sah ich Father Joseph. Er winkte mir in einem rotkarierten Hemd und rotem Basecamp freundlich zu. Schnellen Schrittes ging ich zu ihm, legte meine Taschen ab und begrüßte ihn. Ich freute mich sichtlich ihn wieder zu sehen. Unsere Kommunikation beschränkte sich im letzten Jahr auf zahlreiche Facebook-Chats, E-Mails und ein einziges Telefonat. Vor lauter Aufregung über das Wiedersehen nahm ich Emma und den anderen und schmaleren Father Joseph (Ja, so heißen hier einige Pfarrer.) gar nicht wahr. Auch sie hatten die 2-Stunden-Fahrt auf sich genommen, um mich abzuholen. Die Freude war riesig. Und ehrlich gesagt freute ich mich am meisten, dass Emma dabei war. Mit ihm hatte ich im letzten Jahr den Kiefernwald beschnitten, er führte mich durch das Dorf, lieh mir sein Motorrad und zusammen starteten wir die Pflanzung des Eukalypthus-Waldes.
Gegen halb sieben am Morgen erreichten wir das Gelände der Pfarrerei. Ich war inzwischen fast 24 Stunden wach und sichtlich erschöpft. Die Begrüßung von Colline zauberte mir jedoch ziemlich viel Freude ins Gesicht. Wir waren im letzten Jahr zusammen joggen, ich hatte ihn bei seinen Hausaufgaben geholfen und wir sprachen über Dinge, die uns bedrückten. Zu meiner Überraschung hingen an vielen Orten der Pfarrerei kleine gezeichnete Bilder für mich, auf denen ich willkommen gehießen wurde.
Nun aber flott ins Bett. Nach zwei Stunden Schlaf wachte ich auf, putzte mir die Zähne und merkte die zunehmende Hitze. Nach dem Abflug aus dem winterlichen Berlin wird das wohl wieder eine ziemliche Umstellung werden. Nach einem kleinen Frühstück aus einem Stückchen Omelette und einer Kochbanane schlenderte ich durchs Dorf.
Aufgrund der schlechten Internetabdeckung kann ich leider weniger Bilder zeigen, als ich möchte. Jedoch freute es mich, die Veränderungen zu sehen. Die Eukalypthusbäume, die im letzten Jahr nur zwei Meter hoch waren, sind inzwischen fast auf fünf Meter angewachsen. Wahnsinn, was das für eine Entwicklung ist. Die Bäume, die erst im letzten Jahr gepflanzt wurden, sind inzwischen 50 Centimeter bis zwei Meter groß. Je nach Feuchtigkeit des Bodens haben sie sich entsprechend gut entwickelt. Einige wurden von Termiten befallen, sind abgestorben und wurden ersetzt. Etwa 10.000 Bäume wurden gepflanzt, erzählt mir Emma.
Die Bananenbäume sind ebenfalls kräftiger geworden. Der Kiefernwald, in dem ich im letzten Jahr die Äste bis in acht Meter Höhe stutzte, ist nun viel lichtdurchlässiger geworden. Zwischen den Bäumen wurde nun vor allem Maniok gepflanzt.
Letzte Absprachen mit Busoga Trust.
Nach der Inspektion des Dorfes und dem Wiedersehen von vielen Bekannten Gesichtern sollte ein Termin mit Busoga Trust, dem Unternehmen, das den Brunnen bauen soll, folgen. Moses informierte uns jedoch, dass er etwas mehr Arbeit im Büro hat und es nicht pünktlich schaffen wird. Gegen 16 Uhr erreichte er dann das Dorf. Mit ihm im Gepäck hatte er einen Notizblock sowie seinen stummen Begleiter Salmon. Zunächst besichtigten wir das Gelände. Etwa 420 Meter ist die Stelle von der Pfarrerei entfernt, an der der Brunnen gegraben werden soll. Von dort aus geht es die 420 Meter bergauf, auf deren Länge ein 1 Fuß breiter und 2 Fuß tiefer Graben geschaffen werden muss. Unser Plan ist es die elektrische Pumpe zu schonen und das Wasser in regelmäßigen Abständen, jedoch eben nicht unter Dauerbelastung, in den Wassertank der Pfarrerei zu pumpen. Von dort soll es auf einen Hochwassertank gehen, von dem eine Leitung in die Dorfmitte verlegt wird. Der Wassertank der Pfarrerei und der Hochwassertank bestehen schon, ebenso wie eine elektrische Pumpe, die das Wasser in den Hochwassertank befördert. Zunächst wollten wir den Brunnenbau ohne den Einfluss der Pfarrerei errichten lassen. Doch diese Möglichkeit ließ einige Kostenersparnisse zu.
Hier soll gegraben werden.
Wir konnten innerhalb einer Stunde alle relevanten Fragen klären und das Projekt konkretisieren. Das von uns (Technik ohne Grenzen e.V.) erstellte Timing nahm Moses ab und erklärte, dass wir das schaffen. Dann ging es „nur noch“ um die Kosten. Um Kosten zu sparen und einen eventuellen finanziellen Puffer für unverhergesehens zu haben, schlug ich Moses vor, dass ich mit der Community des Dorfes den Graben für die Wasser- und Stromleitungen selbst grabe. Er stimmte dem zu, was uns 1,44 Millionen Uganda Schilling (etwa 400€) spart. Er wird uns bei der Ausführung jedoch anführen und das Material herbeischaffen. Perfekt also.
Dann kamen wir jedoch auf einen zweifelhaften Punkt zu sprechen. Um weitere Kosten zu sparen, erklärte er sich bereit die Administrationskosten zu streichen. Klingt erstmal gut. Allerdings erklärte er mir, dass er das Projekt dann selbstständig ohne Busoga Trust umsetzten wollte. Und da wurde ich stutzig. Das ganze Projekt war mit ihm, als Angestellten von Busoga Trust geplant und kalkuliert. Nun wollte er seinem Arbeitgeber das Projekt entlocken und auf eigene Rechnung umsetzen. Und das ist meiner Meinung nach ein echter Hammer. Natürlich lockte mich die Ersparnis und ich schlug mich breit darüber nachzudenken. Doch das konnte ich auf keinen Fall wagen. Ohne die Zusammenarbeit mit Busoga Trust haben wir keine Vertragsgrundlage, keine Garantie, gar nichts. Das bestätigten mir auch Hannes und Steffen in einem späteren Skype-Telefonat.
Uns war die Sachlage klar. Ich informierte Moses per Mail, dass wir das Projekt ausschließlich mit Busoga Trust umsetzen werden. Auf die Ersparnis der Administrationskosten (5%) verzichten wir. Auch wenn letztendlich die gleichen Personen am Projekt beteiligt sind, dieses Wagnis konnten wir auf keinen Fall riskieren.
Wohl doch nicht die letzten Absprachen mit Busoga Trust.
Der nächste Tag. Ich war zeitig ins Bett gegangen und hatte nicht einmal mehr daran gedacht mich vor den Computer zu setzen.
Heute Morgen erreichte mich nach einer kleinen Joggingrunde (Verdammt ist das heiß hier!) dann eine Mail von Moses à la: Wenn wir den offiziellen Weg über Busoga Trust wählen, den er gar nicht geplant hatte, dann würden wir 1-2 Wochen länger mit der Projektumsetzung wegen der ganzen Bürokratie brauchen.
Bumm. Der Schreck saß tief. Und dann fragte ich mich, wie das überhaupt sein kann. Die Rekonstruktion der Ereignisse und einige Gespräche heute im Laufe des Tages führen dazu:
Moses hatte seit einem Gespräch mit Father Joseph vor ein paar Wochen, in dem es um weitere Nachverhandlungen ging, einfach für sich entschieden das Projekt selbstständig umzusetzen. Aufgrund dieser Entscheidung hatte er keinerlei Absprachen mehr intern getätigt, nicht den Manager der Region informiert und auch keinen Vertrag von Busoga Trust aufsetzen lassen. Alle verfügbaren Arbeitskräft hatte er privat geblockt. Ich war ziemlich geschockt.
Ich schrieb ihm erneut, dass wir das Projekt ausschließlich mit Busoga Trust als Unternehmen im Hintergrund umsetzen. Den Satz, dass ich das Projekt lieber absage, als es nur mit ihm umzusetz, tippte ich zwar, löschte ich jedoch vor dem Versenden der E-Mail.
Er schrieb, dass sich dann vielleicht die Kosten erhöhen.
Ich schrieb, dass das nicht möglich ist.
Daraufhin holte ich Father Joseph ins Boot, der den ganzen Tag Sprechstunde hatte und Geistige aus den umliegenden Dörfern empfing. Ich äußerte ihm mein Unverständnis und er verstand mich. Da er einen Mitarbeiter von Busoga Trust kennt, der dort wohl eine höhere Stellung genießt, griffen wir zum Telefon. Wir erklärten ihm unser Problem und baten ihn den Prozess bei Busoga Trust zu beschleunigen und erklärten ihm, dass wir ein fixes Budget und einen fixen Zeitplan haben. Wie er dazu steht, dass Mitarbeiter eines Unternehmens versuchen die Projekte auf selbstständiger Basis versuchen umzusetzen, fanden wir leider nicht heraus.
Am frühen Abend sendete mir Moses die aktualisierte Kalkulation, ohne Kostenerhöhung und informierte mich, dass er diese soeben an den Country Manager gesendet hat. Nun bin ich gespannt, wie lange es dauert, bis wir eine Rückmeldung erhalten und bis der Vertrag und die erste Rechnung für die Anzahlung in mein Postfach flattern. Ich hoffe, dass der Verzug nicht zu groß sein wird. Etwa eine Woche haben wir als Puffer berücksichtigt. Alles weitere müssten wir aufholen, um das Projekt bis 31.03. zu finalisieren.
Ich werde jedoch nur bis 07. März in Uganda sein. Am 04. März kommen jedoch Steffen und Hannes hier an, die das Brunnenprojekt dann zu Ende führen.
Und nun?
Um mich über die Enttäuschung der Ereignisse hinweg zu setzten gingen Emma und ich am Nachmittag mit zwei Macheten in den Wald. Wir schlugen etwa 30 Äste mit mindestens vier Centimetern Durchmesser und spitzten sie an einer Seite an. Morgen wollen wir sie dazu nutzen um den Weg des Grabens zu markieren.
Dank der Unterstützung von Karmalaya, der Volunteeringorganisation mit der ich im letzten Jahr hier war, haben wir vorhin zwei Volontärinnen aus Kassala abgeholt. Sie werden uns in den folgenden Tagen unterstützen den Graben vorzubereiten. Dafür haben wir auch einige Männer aus dem Dorf mobilisiert. Morgen um acht Uhr werden wir damit beginnen. Und ich bin ganz gespannt wie weit wir morgen kommen und mit welchem Ergebnis sich Moses Morgen meldet.
Da viele Leser dieses Blogs auch Geld für den Brunnen gespendet haben, sehe ich es als meine Pflicht an euch ehrlich über alle Vorkommnisse des Projektes zu berichten und nichts schön zu reden.
Glaubt mir, heute war ich im Laufe des Tages nicht sonderlich gut gelaunt, sehr deprimiert und hätte gerne das eine oder andere Mal mein Handy voller Wucht gegen eine Wand geworfen. Ich habe es nicht getan. Und hoffe, dass ich es auch morgen nicht machen muss. Da ich keine Uhr mitgenommen habe, wäre mit dem Verlust des Handys wohl auch mein Zeitgefühl verloren.
Ich grüße euch aus einer warmen ugandischen Nacht,
Steven
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wanderweib
24. Februar 2016, 0:22Kopf hoch!
Kristina
24. Februar 2016, 8:18Alter falter, da hat’s jetzt aber jemand geschafft, mir im Berliner Berufsverkehr die Pipi in die Augen zu treiben! Weiterhin ganz viel Nervenstärke dir und bleib bei den frühmorgendlichen Laufrunden, die helfen bestimmt 😉