Zusammenfassung vom Brunnenbau in Uganda
Unser Projektteam: Vincent (jüngster Helfer), Hannes (Technik ohne Grenzen e.V.), Father Joseph (Pfarrer der Gemeinde) und Steffen (Technik ohne Grenzen e.V.) (v.l.n.r.)
Uganda, 21. Februar 2016
Es ist vieles wie beim ersten Mal. Der gleiche Heugeruch steigt am Flughafen Entebbe in meine Nase. Es ist angenehm warm. Und ich bin verdammt aufgeregt. Ich bin erleichtert, als ich meine Tasche auf dem Rollband entdecke. Bei einer kurzen Umstiegszeit in Istanbul ist zuletzt mal meine Tasche verloren gegangen. Nun ist sie da. Ich schnalle den etwa zehn Kilogramm schweren Rucksack auf meinen Rücken und nehme mein weiteres Gepäckstück vom Band, das randvoll mit Kleiderspenden gefüllt ist. Ich bin aufgeregt, ich weiß nicht wie es werden wird, ich weiß nicht, ob wir unser Ziel erreichen werden, aber nun stehe ich hier und es gibt kein zurück mehr. „Los geht´s“ sage ich zu mir selbst und stürze mich in ein Abenteuer, dass mich ein weiteres Mal an meine Grenzen bringen wird.
Ein Jahr ist seit meiner letzten Reise nach Uganda vergangen. Ein dreiviertel Jahr habe ich Spenden gesammelt, das Brunnenprojekt geplant und Mitstreiter gesucht. Nun geht es an die Umsetzung – auch dank eurer Hilfe. Danke!
Willkommen Zuhause
Zu meiner Überraschung kommen mich beide Priester Nanderes sowie Emma, einer der Landarbeiter, abholen. Es ist ein Wiedersehen, dass mir die Tränen ins Gesicht rührt. Alle Erinnerungen vom letzten Aufenthalt sind plötzlich wieder da. Wir machen dort weiter, wo wir aufgehört haben. Während der wilden Fahrt durch Ugandas Nacht tauschen wir uns ausführlich aus. Gegen sieben Uhr morgens erreichen wir den Hof der Pfarrerei. Ich bin zu diesem Zeitpunkt 24 Stunden wach. Ich bin müde, die steigenden Temperaturen zehren an meinen Kräften und ich bin bereit fürs Bett. Die halbe Pfarrerei erwartet meine Ankunft. Ich sehe viele vertraute Gesichter wieder. Ich werde umarmt, herzlich gegrüßt und man wünscht mir Gottes Segen auf allen meinen Wegen. So herzlich wurde ich wohl noch nie begrüßt. Und dann lande ich endlich im Bett. Leider nur für zwei Stunden.
Rundgang durch das Dorf Nandere
Viel ist im letzten Jahr passiert. Der Eukalypthus-Wald, bei dessen Pflanzung ich noch vor einem Jahr mitgeholfen habe, ist stellenweise schon zwei Meter hoch. Wahnsinn, wie schnell diese Bäume wachsen. Ich mache eine ausgiebige Runde durchs Dorf, treffe alte Bekannte und plaudere mit den Schwestern der katholischen Kirche. Ich fühle mich pudelwohl.
Aller Anfang ist schwer
Zu 12 Uhr erwarte ich Moses. Er ist der Projektleiter von Busoga Trust, also jenem Unternehmen, das für den Brunnenbau verantwortlich sein wird. Nach zwei Stunden Verspätung ist er endlich da. Er hat einen Ingenieur im Gepäck. Bei 32 Grad im Schatten machen wir uns auf den Weg zum Fuße des Hügels. Nach wenigen Minuten erreichen wir die Stelle, an der der Brunnen für Nandere gegraben werden soll. Alles ist wie beim letzten Mal, der Plan steht. Alles scheint startklart. Doch dann sprechen wir über den Vertrag und die Kosten. Moses bietet mir an 5 % der Kosten zu sparen. Dafür will er das Projekt selbstständig umsetzen. Ohne Busoga Trust, ohne 30 Jahre Brunnenbauerfahrung, ohne Vertrag, ohne Absicherung. Den mühsam gesammelten Betrag für den Brunnenbau soll ich einfach auf sein privates Konto überweisen. Ich muss nicht lange überlegen, um mich gegen diesen Plan zu entscheiden. Natürlich will ich das Projekt, wie kalkuliert, über das Unternehmen Busoga Trust durchführen lassen. Wie könnte ich ohne Vertrag sicherstellen, dass der Brunnen überhaupt gebaut wird? Moses ist nicht zufrieden mit der Entscheidung. Natürlich nicht, denn so landet kein Geld in seiner eigenen Tasche. Er droht mir einen Projektverzug an.
Ich verstehe die Welt nicht mehr.
Wieso das denn? – Er hatte bisher zu keiner Projektphase mit seinem Unternehmen gesprochen. Alle Kalkulationen, Planungen und Entwürfe macht er nach eigenem Ermessen. Von Anfang an hatte er versucht sich in die eigene Tasche zu wirtschaften. Ich bin entsetzt und brauche einige Minuten um den Schock zu verdauen. In aller Deutlichkeit mache ich ihm klar, dass er erstens keinen Cent mehr erhält als seit Monaten kalkuliert und zweitens, dass das Projekt bis 29. März finalisiert werden musst.
Gesenkten Hauptes kehre ich an diesem Nachmittag des 22. Februars in mein Zimmer der Pfarrerei. Übermüdet, enttäuscht und verunsichert lege ich mich auf mein Bett und denke nach. Nun heißt es stark bleiben. Für zwei weitere Wochen werde ich in Nandere sein, ehe mich Freunde und Kollegen des Vereins Technik ohne Grenzen e.V. für drei weitere Wochen ablösen werden.
Nicht aufgeben
Unabhängig vom weiteren Verlauf mit dem Brunnenbauunternehmen treffe ich am folgenden Tag eine Entscheidung. Das Dorf Nandere soll mit unserer Hilfe den Graben, der vom Brunnen bis zum Zentrum des Dorfes führen soll, selbst graben. Damit sparen wir Kosten, beziehen das Dorf mit in die Arbeit ein und sparen Zeit, da wir jederzeit beginnen können. 470 Meter Graben, 60 Centimeter tief und 30 Centimeter breit müssen ab diesem Tag geschaufelt werden.
Und das hört sich viel leichter an, als es ist. Der Boden ist knochenhart und besteht nur in der obersten Schicht aus Erde. Danach folgt eine massive Gesteinsschicht, die nur mit der Spitzhacke zu lockern ist. Ist die oberste Schicht mit der Spitzhacke abgetragen, schaufele ich die losen Gesteine mit der Schippe aus dem Graben hinaus. Ich habe die Anstrengungen unterschätzt. Statt 100 geplanten Metern pro Tag schaffen wir am ersten Tag nur 30. Am zweiten Tag sind es noch weniger und vom dritten Tag möchte ich am liebsten gar nicht berichten. Von Tag zu Tag helfen weniger Dorfbewohner mit. Es ist schwierig die Menschen hier zu motivieren. Und hat man es einmal geschafft, sind sie von der harten Arbeit so überfordert, dass sie nie wieder kommen. Es ist unvorstellbar. Die Idee des Brunnens war nicht meine. Es war die Idee der Dorfbewohner, die sich das Trinkwasser so sehr wünschten. Aber dafür arbeiten wollen sie offensichtlich nicht. Ich lerne in diesen Tagen eine andere Arbeitskultur kennen. Für die Menschen hier in Nandere scheint es komfortabler täglich eine halbe Stunde zu einem anderen Brunnen zu laufen, dort eine halbe Stunde Wasser zu entnehmen und dann eine weitere halbe Stunde zurück zulaufen, als mit dem verrückten Deutschen in der afrikanischen Hitze einen 470 Meter langen Graben zu schaufeln.
Doch nicht alle Dorfbewohner denken so. Emma und Raphael helfen jeden Tag. Das sind zwei Dorfbewohner, die es bisher auch zu etwas gebracht haben. Beide bewirtschaften ihre Felder, produzieren landwirtschaftliche Produkte und verkaufen sie auf den Märkten der Region. Beide können sich ein kleines Häuschen leisten und haben täglich etwas zum Essen. Ihnen geht es gut. Und obwohl sie auf ihren eigenen Feldern ordentlich zu tun haben, helfen sie fleißig mit. Diejenigen hingegen, die nichts zu tun haben, die helfen auch nicht. Es ist verrückt und für mich nicht nachvollziehbar.
In diesen Tagen lerne ich stark zu bleiben und nicht aufzugeben. Außerdem lerne ich, dass ich mich nicht zum Wohle der 500 Einwohner verausgaben kann. Nach den ersten beiden Tagen habe ich unheimliche Rückenschmerzen. Aber das mus keinen wundern, denn für gewöhnlich sitze ich den ganzen Tag am Schreibtisch und strenge nur meine zehn Finger auf einer Tastatur an. Spitzhacke und Schaufel habe ich nie zuvor geschwungen.
Über die zwei Wochen in denen ich in Nandere bin, wird der Graben immer länger. Etwa die halbe Distanz finalisieren wir, bis Hannes und Steffen das Dorf erreichen.
Einen Vertrag mit Busoga Trust können wir eine nach Woche nach meiner Ankunft finalisieren. Das Unternehmen startet direkt danach den Brunnen zu bauen.
Die Fertigstellung konnten wir mit dem 29. März im Vertrag festhalten. Wird der Brunnen bis dahin nicht fertig, gibt es kein Geld an das Unternehmen. Das schafft selbst in Uganda Druck und so nimmt der Brunnenschacht immer mehr Tiefe an, während der Graben immer länger wird.
Ein Projekt mit „Happy End“
Nach zwei Wochen verlasse ich Uganda. Mehr Zeit konnte ich leider nicht für die Betreuung vor Ort aufbringen. Ein anderes Projekt wartet bereits in Berlin. Hannes und Steffen übernehmen ab diesem Zeitpunk und kämpfen mit den gleichen Problemen. Aber sie sind zu zweit und können sich gegenseitig motivieren. Am Gründonnerstag ist es dann soweit. Die elektrische Pumpe wird im Brunnenschacht angeschlossen. Ab diesem Zeitpunt befördert sie sauberes Trinkwasser 420 Meter hinauf in einen Wassertank der Pfarrerei. Von diesem Wassertank aus geht das Wasser weitere 50 Meter in die Mitte des Dorfes. Endlich haben die Menschen in Nandere fließendes Trinkwasser. Und endlich haben sie auch genug Wasser um das ganze Dorf zu versorgen.
Am Dienstag nach Ostern findet dann die offizielle Eröffnung des Brunnens statt. Den Bischof von Kasana-Luwero konnten wir überzeugen die Eröffnungszeremonie durchzuführen. Ich hielt es für richtig auch dieses Projekt in einem streng gläubigen Land mit einer offiziellen kirchlichen Eröffnung zu zelebrieren. Neben ein paar Worten zur Wichtigkeit des Wassers verliert der Bischof während der Zeremonie auch mahnende Worte an die Dorfgemeinschaft. Ob sich im Bezug auf die Arbeitsmoral in Zukunft etwas ändern wird, werden wir wohl nie erfahren. Aber ich habe inzwischen von vielen Seiten gehört wie dankbar die Menschen für unsere Hilfe sind und wie sehr sich ihre Lebensqualität seit dem verbessert hat.
Es ist schon verrückt, da leben wir alle auf dem gleichen Planeten und haben so unterschiedliche Lebensbedingungen. Wie glücklich können wir uns doch eigentlich schätzen.
Obwohl es zwischen der Idee des Brunnenbaus und dem ersten Wassertropfen einige Herausforderungen gab, bereue ich es keine Sekunde mich für das Projekt eingesetzt zu haben. Es war eine kraftzehrende, aber unglaublich lehrreiche Zeit.
Wer Lust hat noch detailierter über den Brunnenbau zu lesen und weitere Bilder zu sehen möchte, findet hier alle acht Brunnenbauertagebücher, die Hannes, Steffen und ich live aus Uganda veröffentlicht haben.
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