Bootfahren im Burgund – oder – Was du in einer Schleuse unbedingt beachten solltest

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19 Nov

Bootfahren im Burgund – oder – Was du in einer Schleuse unbedingt beachten solltest

19. November 2016

Bootfahren Burgund: Führerscheinfrei ist ein Boot im Burgund schnell gemietet. Und das inklusive einer Vielzahl an Witzen. Übel wird es erst, wenn der vermeintliche Joke am übernächsten Tag Realität wird. Ja, richtig übel wird es dann.
In schnell genuscheltem Englisch und mit viel Humor führt uns Ken in Châtillon-sur-Loire über das Boot. Ähm, über das Schiff. Denn die Royal Mystique ist mit ihren 13 Metern Länge und 4 Metern Breite, zwei riesigen Kajüten, zwei Bädern, Sitzecke und Kochbereich alles andere als ein gewöhnliches Hausboot und alles andere als nachhaltig.
Vier Tage werden wir auf der „königlichen Mystik“ verbringen.

„Klar machen zum Ablegen?“

Das rufe ich mit unsicherer Stimme über den einsamen Canal latéral à la Loire. Hannes und Ken schauen mich irritiert an. Ok, dann nochmal etwas sicherer: „KLAR MACHEN ZUM ABLEGEN!“ rufe ich. Nur wenige der vielen Kommandos beherrsche ich noch von meiner Prüfung zum Sportbootführerschein Binnen. Und auch sonst fühle ich mich mit diesem riesigen Schiff unter dem Hintern etwas unsicher.
Gut, dass ich mit diesem Boot in Frankreich keinen Bootsführerschein brauche. So schlimm wird es schon nicht werden.
Wir drehen eine kleine Runde um die Anlegestelle und halten, um Ken wieder von Bord zu lassen. Ein paar letzte Tipps.
Gasflaschen nach dem Grillen wieder zudrehen.
Logo.
Den Zündschlüssel nicht verlieren.
Niemals.
Und das Verdeck zumachen, wenn ihr unter einer Brücke durchfahrt.
Ahaha, jaaa klar.
 
„Na dann viel Spaß! Und lasst mein Boot heile“, sagt Ken und verschwindet in der kleinen Hütte des Bootsverleihs Le Boat.
Wir packen die Einkäufe auf das Boot, schalten das Radio ein und legen ab. Mit maximal acht Kilometer pro Stunde gleiten wir über den Kanal. Keine anderen Boote, keine Menschen, keine Straßen, keine Häuser. Nur wir und die Natur auf diesem von Menschen gemachten Kanal. Die Sonne geht hinter den Baumwipfeln unter. Wir nutzen vor Briare ein Aquädukt und fahren über die Loire. Nun sind wir auf dem Canal de Briare. Traumhafte Kulissen, viel Entspannung, wir genießen das Bootsleben.
Zwei Tage geht alles gut und wir genießen das freie Leben auf dem Boot. Doch dann kommt alles anders.

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Eine kleine Vergesslichkeit mit Folgen

Wir fahren gleich am Morgen aus Rogny-les-Sept-Écluses zurück in Richtung Châtillon-sur-Loire. Die ersten sechs Schleusen hinter Rogny-les-Sept-Écluses passieren wir ohne Probleme. Die Sonne knallt auf unsere Köpfe und ich klappe das Verdeck auf. In der Affenhitze hält es ja kein Mensch aus.
Wenige Minuten später erreichen wir die siebte und letzte Schleuse dieses Abschnitts. Das Schleusen der Royal Mystique ist für zwei Personen etwas stressig. Doch Hannes und ich haben inzwischen unsere perfekte Technik gefunden. Einer steuert, der andere steht hinten und stößt mit einem Schrubber gegen die Schleusenwände, so dass unser Boot mittig im Wasser steht. Von den Schleusenwärtern werden wir für unseren umsichtigen Umgang gelobt. Mehrmals.
An Schleuse Nummer sieben läuft zunächst alles perfekt. Wir fahren ohne Berührungen hinein. Während wir zwischen den schweren Metaltooren gleiten, betätigt Hannes einen Knopf und startet das Schleusen. Das schmutzige Kanalwasser flutet die Schleuse. Unser Boot steigt nach oben und schließlich öffnen sie die Schleusentore und wir fahren hinaus. Schnurrgerade verlassen wir die Schleuse. Ich bin richtig stolz und beschleunige etwas beim Herausfahren unter einer kleinen Brücke.
Dann ein gigantischer Knall. Ohrenbetäubender Lärm. Hannes steht links neben mir. Es klingt als sei etwas explodiert. Oder als hätten sich die Schleusentore hinter uns geschlossen und das halbe Boot verschlungen.
Als wir uns umdrehen, stellen wir fest, dass die Brücke unser Verdeck zerstört hat. Das Gestänge ist verbogen, in sich zusammengeklappt und mit einem lauten Ruck nach hinten geknallt.
Sofort spüre ich einen stechenden Schmerz in meinem Bauch. Wie verdattert stehen Hannes und ich da und wissen nicht weiter. Wir haben gerade unser Boot geschrottet und halten an. Das Dach ist hin. Uns geht es gut. Vor zwei Tagen haben wir noch über Kens Hinweis gelacht. Jetzt waren wir selbst so doof und haben unser Dach abgefahren. Mist.
Ich rufe in der Basis in Châtillon-sur-Loire an. Jan, ein ehemaliger Berliner, geht ans Telefon. Zum Glück kann ich nun alles auf Deutsch erklären.
„Macht euch keinen Kopf, Jungs. Das ist nicht das erste Mal, dass das passiert. Ihr seid versichert. Genießt den restlichen Tag. Wir sehen uns morgen.“, sagt er.
Mehr nicht. Kein „Merde“, keine anderen Schimpfwörter, keine Anschuldigungen, keine Belehrungen. Mir geht es danach besser. Es dauert jedoch einige Stunden, bis wir auf andere Gedanken kommen.

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Fazit zum Bootfahren im Burgund mit Le Boat

+ Die Natur der Kanäle ist schön. Das Fahren über das Aquädukt und die Loire war mein Highlight.
+ Die Boote von Le Boat sind ohne Führerschein zu mieten. Alles wird gut gezeigt und erklärt. Eigentlich, ja eigentlich muss man sich keine Sorgen machen, wenn man das Verdeck unten hat. 😉
+ Anfang September waren kaum andere Boote auf den Kanälen unterwegs, man war unter sich.
+ Man kann überall anhalten, das Boot festmachen und mit dem Fahrrad einzelne Städte erkunden.
+ Das Team der Basis in Châtillon-sur-Loire ist super freundlich und hilfsbereit
+ Die Royal Mystique hat eine unglaubliche Ausstattung. An Bord wird man nichts vermissen.
 
– Es gibt keine Abwassertanks. Das Toilettengeschäft, das Abwaschwasser sowie das Abwasser aus den Duschen geht direkt in den Kanal. Das ist katastrophal und macht mir Bauchschmerzen. Boote von Le Boat in Deutschland besitzen Abwassertanks, die an den Schleusen entleert werden können. Sowas sollte unabhängig von der Gesetzeslage auch in Frankreich etabliert werden.
– Biologisch abbaubare Seifen waren nicht an Bord und im Supermarkt nicht erhältlich.
– Der Dieselmotor des Bootes verbraucht bei dieser enormen Bootsgröße viel Treibstoff. Bis auf den Segelsport ist das ein generelles Problem in der Schifffahrt. Elektroboote gibt es noch nicht viele. Vorreiter auf dem Bereich sind Fähren in Norwegen.
– Der Gast wird nicht auf nachhaltiges Handeln: Strom sparen, Treibstoff sparen, Natur möglichst wenig schädigen, etc. sensibilisiert.

Fazit: Bootfahren auf den Kanälen im Burgrund ist eine schöne Aktivität in der Natur, aber keine nachhaltige Aktivität.

Update 21.11.2016:

Zu meiner Kritik habe ich eben mit Le Boat telefoniert.
1. Biologische Seifen können generell in den Verleihstationen gekauft werden. In Châtillon-sur-Loire war diese nicht vorhanden oder ich habe sie nicht gesehen.
2. Auch die Boote in Frankreich von Le Boat haben Abwassertanks. Jedoch werden sie nicht genutzt, weil das Land Frankreich die Infrastruktur dafür nicht hergibt. Das macht das Problem zwar nicht kleiner, zeigt aber genauer wer sich darum kümmern sollte: Das Land Frankreich mit neuen Umweltgesetzen.
Denn in Deutschland werden die Abwassertanks Le Boats genutzt und an den Schleusen abgepumpt.
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Meine Reise über die Kanäle wurde von Le Boat und Atout France unterstützt und ermöglicht. Ziel war es Eindrücke französischer Naturregionen zu gewinnen und pro Region einen Film zu produzieren. Ich danke für diese Möglichkeit und garantiere, dass meine Meinung von der Einladung nicht beeinflusst wurde.

Kommentare
  • Irene
    19. November 2016, 15:29

    das erinnert mich irgendwie an die Kanäle mitten in London! Wer hat da wohl von wem abgekupfert?! 🙂

  • Irene
    23. November 2016, 16:55

    haha gar nichts. klingt das so? nein, es sind einfach schöne Kanaäle in der Stadt und erinnert irgendwie an Venedig

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Steven Hille

Steven ist der Autor des nachhaltigen Reiseblogs Funkloch. Irgendwann dachte er sich, dass er nur noch Projekte realisieren sollte, die einen guten Nutzen haben. Aus dieser Idee heraus sammelte er Spenden für ein Tigerbaby, unterstützte ein nationales Bienenprojekt, baute einen Brunnen in Uganda und gründete mit Freunden die NGO WeWater, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.

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