Eure et Loir: Zwischen Brombeeren und Burgen auf der Veloscénie. #francenature (2/5)
Fast drei Wochen reiste ich mit meinem Freund Jonas im Sommer durch Frankreich, ehe ich ihn am Flughafen Nizza absetzte, ein paar hundert Kilometer westlich zwei befreundete Blogger einsammelte (der Dritte trieb unvorhergesehener Weise noch in einem Segelboot auf dem Atlantik) und mit Ihnen die letzten Etappe meiner Frankreichreise beschritt. In fünf Episoden erhältst du nun Einblicke in die fünf Regionen, die ich bereisen durfte.
Vorher: Vogesen
Heute: Eure et Loir
Bald: Cannes, Côte d´Azur und Lozère
Region Eure et Loir:
Fläche: 5.880 km²
Einwohner: 423.559
Hauptstadt: Chartres
Flüsse: Eure und Loir
Besonderheiten: Hügellandschaften der Beauce und Perche, gut ausgebaut für Radtourismus
Während wir mit Aurelien, dessen Vorname mir ordentlich Probleme bei der Aussprache bereitete, im Restaurant saßen, wurde es Nacht in Chartres, in der Region Centre. Und genau darauf hatten wir gewartet. Wir verließen das Restaurant, schnappten uns unsere Fahrräder und radelten durch die warme französische Sommernacht. Aurelien fuhr voran und führte uns durch schmale Gassen, über Kopfsteinpflaster und Asphalt, vorbei an Bächen, Brücken und kunstvollen Straßenlaternen. Kreuz und quer fuhren wir durch die Innenstadt, denn unsere Ziele lagen kreuz und quer verteilt: Wir bestaunten die Lichtspiele von Chartres en Lumières.
Chartres en Lumières.
In 6 von 12 Monaten eines jeden Jahres finden in Chartres die Lichtspiele Chartres en Lumières, meist in den Monaten zwischen April und Oktober, statt. Schon nach dem ersten Gebäude unserer Tour, dem Theater von Chartres, war ich in den Bann der aufwendigen Lichtspiele gezogen. Chartres en Lumières ist nicht zu vergleichen mit dem Festival of Lights in Berlin. Es ist viel geheimnisvoller, spannender, einladender, kunstvoller, ja, eben französisch, so dass man direkt merkt wie viel Kreativität und Leidenschaft in das Projekt gesteckt wurde. 26 Gebäude werden so seit 12 Jahren immer im Sommer beleuchtet. Highlight des Lichtspektakels ist die Kathedrale Notre-Dame in Chartres, die allerdings auch bei Tageslicht eine imposante Figur macht.
Richtung Westen auf der Veloscénie.
Genauso wie unsere Reise im Département Eure-et-Loir in der Stadt Chartres auf Fahrrädern gestartet war, sollte sie auch am folgenden Tag weitergehen: Radfahren in der Natur, gemischt mit Kultur.
Monsieur Doradoux sorgte mit frischen Baguettes und kräftigem Käse für ein geniales Frühstück, ehe wir Chartres verließen und… die Veloscénie suchten. Wir hatten keine Ahnung in welchem Teil Chartres wir den Streckenabschnitt des Radweges finden würden. Insgesamt ist die Veloscénie 450 Kilometer lang, führt von Paris bis Mont Saint-Michel und durchquert dabei acht Départements in vier Regionen.
Und die Sache mit den Regionen und Départements ist in Frankreich gar nicht einfach. 101 Départements gibt es in 27 Regionen. Und wie kompliziert das ist und wie wenig da selbst die Einheimischen in dieser politischen Ordnung durchsehen, merkten wir besonders im Département Eure et Loir, das zur Region Centre-Val de Loire gehört. Wer jetzt noch nicht ausgestiegen ist, erahnt sicherlich, dass mit Loir und Loire zwei Flüsse gemeint sind, die häufig miteinander verwechselt werden.
Da das ganze Wirrwarr um die Départements und Regionen auch alt eingesessene Franzosen verwirrt, gibt’s ab 01. Januar 2016 eine Neuordnung und ein Zusammenschluss in insgesamt 13 Regionen. Région Centre wohl auch nicht mehr verwirren. Hofft man.
Zurück aber zu unserer Radtour im Départment Eure et Loir:
Unfähig den Streckenteil der Veloscénie in Chartres zu finden, richteten wir uns nach den Wegweisern und fuhren in Richtung Illiers-Combray über breite und stark frequentierte Straßen mit vielen Autos und LKW´s. Spätestens jetzt erkannten wir den Nutzen eines ausgebauten Radweges. Und während ich überlegte, ob wir lieber kehrt machen und uns zur Veloscénie durchfragen sollten, brüllte Jonas beim Vorbeifahren eines LKW´s „Schau mal dort drüben!“. Wir hatten sie gefunden, wechselten die Straßenseite und radelten ganze zehn Minuten fröhlich weiter, ehe meinem Vorderrad die Luft ausging.
Ehrlich gesagt bin ich inzwischen Experte darin einen platten Reifen zu bekommen. In Berlin passiert mir das etwa monatlich.
Gut, dass wir Flickzeug mithatten.
Schlecht, dass wir kein Werkzeug dabei hatten, um mein Vorderrad auszubauen.
Also schob ich mein Rad in ein Dorf zurück, durch das wir gerade geradelt waren. Mit gebrochenem Französisch fragten wir nach Werkzeug und wurden direkt im ersten Haushalt fündig. Mit geübten Handbewegungen baute Jonas in Windeseile mein Vorderrad aus und flickte es. Meine Bedenken, dass der Klebstoff noch einige Minuten trocknen müsste, tat Jonas mit einem lässigen „Das passt schon!“ ab. Er sollte Recht behalten. Für den gesamten weiteren Verlauf unserer Radtour.
Von Illiers-Combray über Thiron-Gardais nach Nogent-le-Rotrou.
Für den gesamten weiteren Verlauf unserer Radtour hielt der Vorderreifen, was wir vom Wetter nicht gerade behaupten konnten. Es stürmte alle drei Tage und nieselte gelegentlich. Wie ließen uns davon jedoch die Laune nicht verderben.
Tag 1: Chartres, Illiers-Combray und Thiron-Gardais.
Gestartet haben wir unsere Tour in Chartres. Nachdem wir die Räder am Bahnhof abgeholt hatten, verabschiedeten wir uns von Monsieur Doradoux, der inzwischen schon wieder an seinem Motorrad schraubte. Die kleine Lichterstadt gefiel und ausgesprochen gut. Da das Fahrradabenteuer lockte, fiel uns ein Abschied jedoch nicht schwer. Gleich am ersten Tag lag der größte Streckenabschnitt von Chartres über Illiers-Combray bis Thiron-Gardais mit 56 Kilometern vor uns. Einen Mittagsstopp legten wir im Restaurant Les Aubépines ein. Und bei all der Anstrengung hatten wir ein nahrhaftes 3-Gänge-Menue auch bitter nötig. Die kleinen Hügel der Landschaft der Beauce hatten es auf jeden Fall in sich.
Der zweite Streckenabschnitt war nach dem Essen auf jeden Fall einfacher zu bewältigen. Ein älteres Ehepaar, das samt Auto und diversen Eimern am Straßenrand stand, machte uns auf die vielen Brombeersträucher aufmerksam. Dutzende, Hunderte, ach was, Tausende Brombeeren waren inzwischen reif, so dass ich es zu Jonas´ Ärger bevorzugte einige Pausen zu machen und die frischen Beeren von den Sträuchern zu naschen.
Am Abend erreichten wir zerstochen und mit blauen Fingern die Auberge de l´Abbaye à Thron-Gardais. Simon, ein langhaariger, leicht nervöser und frisch gebackener Hotelbesitzer hieß uns dort willkommen. Als eines der ersten Hotels hat er beim Ausbau der Region in Sachen Radtourismus mitgeholfen. Jedes Hotel mit dem Hinweis „Accueil Velo“ gehört zur Initiative und sorgt neben Unterstellmöglichkeiten für die Fahrräder auch für eine ausgewogene kulinarische Verpflegung.
Tag 2: Thiron-Gardais, die Landschaft der Perche und Nogent-le-Rotrou.
Irgendwann auf dem Weg nach Thiron-Gardais lernten wir die hügelige Landschaft der Perche kennen. Mit schweren Stahlrädern und dem Gepäck für drei Tage sowie einer Flasche Weißwein, die wir unterwegs besorgt hatten, strampelten wir bei starkem Wind einer grauweißen Wolkenfront entgegen. Hin- und wieder nieselte es. Da wir uns so lange die Region um Thiron-Gardais angeschaut hatten, die Stadt ganz genau erkundet hatten und selbst einen Blick auf den Friedhof geworfen hatten, erreichten wir das Château-musée de Nogent-le-Rotrou erst am Nachmittag. Es gehörte definitiv zu den schönsten Schlössern auf unserer Tour. Wir nutzen den Park für den Picknick und besichtigten dann das Schloss von Innen. Am Abend erwarteten uns schon unsere Chambres im Hôtel Sully.
Tag 3: Der Markt von Nogent-le-Rotrou und ab nach Hause (Chartres).
Der letzte Tag unserer Radtour war der vergleichsweise entspannteste. Wir hatten keinen Streckenabschnitt mehr zu bewältigen und verbrachten den halben Vormittag auf dem Markt von Nogent-le-Rotrou. Während ich den französischen Käse bewunderte, faszinierten Jonas eher die französischen Messer. Wir kauften Ziegenkäse und Laguiole sowie Oliven, Brot und eine Avocado und machten es uns in einem kleinen Park gemütlich, ehe wir noch mal mit den Fahrrädern die Stadt verließen und über grüne Wiesen und Landschaften radelten.
Am Abend nahmen wir den Zug, der uns in etwa einer Stunde von Nogent-le-Rotrou wieder nach Chartres brachte. Monsieur Doradoux erwartete uns schon.
Meine Reise durch Frankreich wurde von Atout France unterstützt und ermöglicht. Außerdem durfte ich auch auf die Unterstützung zahlreicher regionaler Unternehmen zählen. Ziel der Reise war es Eindrücke über Reisen in der Natur Frankreichs zu sammeln.
Impressionen und Ergebnisse präsentierete ich am 29. Oktober im Workshop Natur- und Aktivreisen in Frankfurt am Main.
Meine Meinung wurde durch das Sponsoring nicht beeinflusst und bleibt meine eigene.
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