Die Delfine der Bretagne im Mer d´Iroise

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16 Okt

Die Delfine der Bretagne im Mer d´Iroise

16. Oktober 2016

Dutzende Delfine umkreisen mich, während ich mit dicker Kleidung im kalten Ozean plansche. Ich habe keine Ahung wie ich ins Wasser gekommen bin und lausche überrascht den Lauten der Großen Tümmler. Sie grinsen unentwegt, erzählen sich witzige Anekdoten aus Bikini Bottom und schwimmen mit ungeheurer Geschwindigkeit im Kreis. Ich scheine einer von ihnen zu sein. Wie könnten wir sonst miteinander kommunizieren? Plötzlich reißt mich eine riesige Welle nach unten und ihr Sog zieht mich auf den Meeresboden. Noch während ich die Orientierung verliere, ich ganz sanft dahingleite und keine Anstalten mache gegen den Sog zu schwimmen, wache ich auf.

Solange wie ich zurückdenken kann, gibt es in meiner Welt nur zwei Traumszenarien, die immer und immer wieder vorkommen. Entweder kann ich fliegen oder ich treffe in meinen Träumen Delfine. Die Liebe zur größten Tierfamilie der Wale begann, wie sicherlich bei tausenden Menschen, mit den Filmen von Flipper. Kein Tier der Welt begeisterte mich so enorm. Delfine sind scheinbar immer gut gelaunt und verbringen ihr ganzes Leben im Kreise ihrer Freunde. Was könnte es besseres geben?

Das Glück hatte es mir bisher nicht gestattet die freundlichen Meeresbewohner in ihrem natürlichen Umfeld zu besuchen. In Japan versteckten sich die Tiere lieber im dunkelblauen Ozean, vor Taiwan wurde meine Whalewatchingtour wegen eines Taifuns gecancelt und auf der Überfahrt zur Insel Gili Air in Indonesien sah ich nur einen einzigen Delfin in kilometerweiter Entfernung am Horizont. Das konnte ich mir mit bester Mühe nicht schönreden.

 

Ein neuer Versuch in der Iroise-See

Enorm aufgeregt wache ich also an diesem Morgen auf. Erst unter der Dusche erinnere ich mich an meinen Traum. Ich muss schmunzeln und entscheide mich dafür Oli nichts zu erzählen.
Nach einem hastigen Frühstück mit frischen Croissants und zwei Tassen Kaffee machen wir uns auf zum Hafen von Le Conquet. Das Leben in der kleinen Gemeinde ist schon voll im Gange. Frauen mit schweren Einkaufsbeuteln kommen uns entgegen. Ich frage mich wo sie einkaufen waren, denn bisher konnte ich keine Geschäfte in der kleinen Hafenstadt entdecken. Eine weitere Dame putzt ihre Fenster. Am Hafen prüfen die Fischer ihre Netze. Zwei Kajaks paddeln durch das glatte Meereswasser, in dem überwiegend Motorboote liegen.
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Es dauert eine Weile, ehe wir das Boot von Lucky und Christel mit der gelben Aufschrift „Archipel Excursions“ finden. Die Sonne steht hoch, alles glitzert. Lucky macht das Boot gerade im Hafenbecken los. Wir folgen dem Boot bis zum vorderen Teil des Hafens. Erst in diesem Moment wird mir klar, dass wir uns gerade auf dem westlichsten Festland Frankreichs befinden – im Département Finistère, was auf französisch etwas wie „das Ende der Welt“ bedeutet. Die bretonische Bezeichnung Penn-ar-Bed klingt nicht wirklich besser, bedeutet jedoch das Gegenteil: „Anfang der Welt“. So unterschiedlich kann es manchmal sein.
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Mit kurzen Worten stellen sich Christel und Lucky, die von Schuh bis Schwimmweste von Helly Hansen ausgestattet sind, vor. Die Haut der beiden hat eine gesunde Bräune. Die Augen kneift Christel ziemlich zu. Ich habe kaum die Chance ihre Augenfarbe zu erkennen und vermute ein sattes meerblau. Eine wahnsinnige Ruhe strahlt das langverheiratete Paar aus. Und dann geht es los.
Langsam manövriert Lucky unser Boot aus dem Hafen. Die beiden 300 PS-Motoren surren nur sehr leise. Kaum vorstellenbar wie viel Kraft in ihnen steckt. Ob wir die ganze Kraft der Motoren brauchen werden? Oder ist es nur Luckys tägliche Gier nach Adrenalin den Gashebel einmal ganz nach vorne zu schieben und den Rausch der Geschwindigkeit zu erleben?
Das Wasser verschwindet hinter den Bootsschrauben und hinter dem Horizont. Die Ebbe kommt. Um etwa sieben Meter sinkt hier der Meeresspiegel an dieser Stelle der Iroise.

Die Großen Tümmler der Bretagne

Es dauert nur wenige Minuten, ehe Lucky den Gashebel ein erstes Mal nach hinten schiebt und das Motorboot abbremst. Er hat sie gesichtet. In etwa 200 Meter Entfernung schwimmt eine Gruppe Großer Tümmler. Etwa zehn bis fünfzehn Tiere sehe ich. Kleine und große. Welche, die nur ganz kurz auftauchen und andere, die etwas mehr aus dem Wasser springen. Lucky lässt das Boot treiben und schaut in welche Richtung sie schwimmen. Er beobachtet die Tiere, zählt sie und analysiert ihr Verhalten. In der Sommersaison sind Christel und Lucky jeden Tag auf dem Meer. Sie kennen die Tiere wie wir unsere Kollegen. Um bei der Erforschung der Delfine behilflich zu sein, notieren sie ihre täglichen Beobachtungen und geben sie an die regionalen Forschungsstationen weiter.
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Nach einigen Minuten der Beobachtungen startet Lucky erneut den Motor und fährt mit uns in die entgegengesetze Richtung. Die Delfine verschwinden. Und tauchen wenige Minuten später in der Nähe unseres Bootes auf. Einige Tiere fangen an zu springen. Nach jedem Sprung fängt Christel an zu lachen und klatscht vor Freude in die Hände. Es ist toll sie dabei zu beobachten. Jeden Tag ist sie hier draußen und trotzdem freut sie sich wie ein kleines Kind bei den Sprüngen der Tiere.
Lucky hat den Motor gestoppt und die Tiere kommen genau dann zu unserem Boot, als ich beschlossen habe meine Kamera wegzulegen und den Moment zu genießen. Rechtzeitig schalte ich die Kamera ein und drücke auf die Videoaufnahme.

Was für ein magischer Moment. All die Jahre der Vorfreude haben sich gelohnt. Ich bin hin und weg und ziemlich froh darüber, dass das Wasser so verdammt kalt ist. Wer weiß, was ich sonst getan hätte und sich mein Traum dann im realen Leben wiederholt hätte.

Kegelrobben, Algenfischer und die Algencrepes der Insel Molène

Wir fahren weiter. Über hohe Wellen hinweg und an kargen braunen Felsen vorbei. Vor einer kleinen Insel stoppt Lucky. Sie erinnert ihn an die Karibik. Ich halte meine Hand ins Wasser und bin mir ziemlich sicher, dass wir nicht in der Karibik sind.
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Zwischen den Felsen, die von der Ebbe gerade freigelegt werden, sehen wir aus der Ferne eine Kegelrobbe. Sie robbt gerade von einem kleinen Felsvorsprung ins Wasser und wird von der starken Strömung erfasst. Sie taucht unter und wir sehen sie nie wieder. Oli zolle ich meinen Respekt vor den Strömungen. Um die Felsen fließt das Meereswasser in alle Richtungen. Es ist kein System zu erkennen. Strudel bilden sich und vergehen. Hier würde ich auch bei angenehmeren Wassertemperaturen nicht schwimmen wollen.
Zwischen Algenpflanzen und Felsen stoppt Lucky erneut. Zwei besonders neugierige Robben haben uns entdeckt und grinsen neugierig und schüchtern zugleich aus dem Wasser. Nach einigen Sekunden der Beobachtungen entscheiden sie sich lieber dafür herumzutollen und verschwinden zwischen den Algenpflanzen.

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Wenig später sehen wir einen Algensammler. Das Schiff in den Farben der französischen Flagge lässt über einen kleinen Kran einen kreisenden Metallhaken in das Meereswasser. Nach einigen Drehungen unter Wasser, zieht das Schiff diverse Kombu- und Dulse-Algen aus dem Meer. Sie haben sich um den Metallhaken gewickelt. Eine clevere Art und Weise der Algenernte, denke ich mir. Bisher hatte ich nur von handgeernteten Algen aus dem Atlantik gehört.
algenfischer
Ist man mit Oli auf Reisen, so führt einen der erste Schritt in einer neuen Umgebung direkt in ein Restaurant oder eine Bar. So auch auf der Insel Molène. Man hatte uns die Algencrepes der „Crêperie Le vent des îles“ empfohlen. Diese galt es natürlich zu probieren. Und während ich durch die Köstlichkeiten der Speisekarte blättere, fällt mir ein, dass ich vergessen habe Bargeld mitzunehmen. Ein Blick in Olis Augen, sein Blick geht zurück auf die Speisekarte. Ich merke, dass er nicht bereit ist seine restlichen 20 Euro zu teilen. Ich würde es vermutlich auch nicht tun. Doch dann die Erlösung: Kartenzahlung akzeptiert. Yes! Fantastique! Magnifique!
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Zwei Algencrepes, einen Salat, ein paar Fritten, einen Liter Cidre, zwei Eisbecher und 47 Euro später rollen wir bei warmen Sonnenstrahlen und kühlem Wind über die Insel Molène. Und während ich die Insel mit all ihren Farben und Facetten bestaune, stelle ich fest, dass mein Traumszenario von einem viel schöneren Tag in der Bretagne abgelöst wurde.

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Meinen Bretagne-Beitrag über den Golf du Morbihan findest du hier. 


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Meine Reise durch die Bretagne wurde von Tourisme Bretagne unterstützt und ermöglicht. Außerdem durfte ich auch auf die Unterstützung zahlreicher regionaler Unternehmen zählen. Ich danke für diese Möglichkeit und garantiere, dass meine Meinung von der Einladung nicht beeinflusst wurde.
Die Bilder der Kegelrobben und die Bilder auf denen ich abgebildet bin, sind von Oli.

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Steven Hille

Steven ist der Autor des nachhaltigen Reiseblogs Funkloch. Irgendwann dachte er sich, dass er nur noch Projekte realisieren sollte, die einen guten Nutzen haben. Aus dieser Idee heraus sammelte er Spenden für ein Tigerbaby, unterstützte ein nationales Bienenprojekt, baute einen Brunnen in Uganda und gründete mit Freunden die NGO WeWater, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.

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