Brunnenbauertagebuch. #3

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28 Feb

Brunnenbauertagebuch. #3

28. Februar 2016

vom 26. und 27. und 28. Februar
Den Worten Goethes „Es bleibt einem jeden immer noch so viel Kraft, das auszuführen, wovon er überzeugt ist.“ schenke ich viel Bedeutung. Ich denke, dass mit einem starken Willen alles zu schaffen ist. Nur so, sind wir überhaupt so weit gekommen. Trotz der inneren Überzeugung, verließen mich am Freitag Vormittag die körperlichen Kräfte.
Schon am Morgen war ich etwas zitterig auf den Beinen. Die beiden Tage zuvor mit mehreren Arbeitsstunden beim Picken und Schaufeln und anschließenden Joggingrunden hatten ihre Spuren hinterlassen. Ich war kaum mehr in der Lage die Spitzhacke voller Wucht in den Boden zu schlagen und Gesteine und Erde zu lockern. Als mir schwarz vor Augen wurde und ich am lichtern Tage die Sterne sah, entschied ich mich, es nicht mehr zu übertreiben. Ich ging zurück in die Pfarrerei, trank einige Liter Wasser, etwas gezuckerten Tee und legte mich schlafen.
Drei Stunden später wachte ich auf und fühlte mich besser. Den ganzen Freitag dauerte es, bis ich wieder richtig fit auf den Beinen war.
Glücklicherweise hatten wir für den Freitag Nachmittag keine Arbeitsschicht geplant. Die Ergebnisse unserer Arbeiten ließen eine Pause eigentlich nicht zu, aber so richtig bei Kräften war keiner mehr.

Einkaufen in Wobulenzi für den Kochwettbewerb.

Stattdessen stiegen Mareike, Linn, Father Joseph und ich ins Auto und fuhren zum Markt von Wobulenzi. Doch zunächst wollten wir das Auto tanken. Als Entschädigung für seine Fahrdienste zahlte ich die Tankfüllung von unserem Projektbudget.
Unterwegs wurden wir von einem Verkehrspolizisten angehalten. Father Joseph hatte ein Überholverbot missachtet. Fast schon übertrieben entschuldigte er sich bei dem Polizisten und schwor es nie wieder zu tun. Eine irre komische Situation. Der Typ, der sämtliche Verkehrsregeln missachtete, bettelte in diesem Moment wie ein kleines Kind. Mit Erfolg. Der Polizist ließ uns ohne Strafe weiterfahren.

Nicht mal eine Minute später schlossen wir zu dem überladenen Pickup auf, der bis zum Himmel mit Maniok beladen war. Etwas eingeschnappt bemerkte Father Joseph, dass diese Art der Beladung ebenfalls nicht erlaubt ist. Er hielt sich jedoch an sein Wort, achtete auf das Überholverbot der nächsten Kilometer und überholte das überladene Fahrzeug erst, als die Straße frei und die durchgezogene Linie zur gestrichelten wurde.
Wobulenzi_Uganda_Markt
Markt_Wobulenzi

Dutzende Erinnerungen stießen mir in Wobulenzi auf. Es roch nach glühender Holzkohle und gebackenden Bananen. Der Boden war staubig, die Atmosphäre aufgrund dutzender Megaphone und Radios in Düsenjetlautstärke ziemlich unentspannt. Trotzdem war ich gerne hier. Ich liebe Märkte, kann mich gar nicht satt sehen an den dutzenden Gemüsesorten und mir stiegen direkt jede Menge neue Kochideen in mein auf allen Sinneskanälen übersättigtes Hirn. Dicht an dich, schoben sich die Menschen über den staubigen Boden in Sandalen und Flipflops hinweg. Irgendwo brüllte jemand „Muzungu“, direkt vor mir ein freundliches Lächeln und die Frage, ob ich nicht ein paar Frühlingszwiebeln kaufen möchte. Leider nicht. Wir brauchten richtige Zwiebeln, Tomaten, Avocado und Früchte.
Am Samstagabend wollten wir einen Kochwettbewerb veranstalten. Aus Bequemlichkeit hatte ich mich dazu entschieden etwas einfaches zu kochen, dessen Zutaten wir größtenteils schon nutzten, die Menschen in Nandere aber nicht in der Kombination kannten: Borritos. Mit Reis, Bohnen, Guacamole und Tomaten gefüllte Chapati wollte ich machen. Linn und Mareike stimmten zu und halfen mit. „Mexikanisches Essen, gemacht von Deutschen in Uganda“, scherzten wir über diesen multikulti Rezeptvorschlag, den wir am folgenden Tag über offenem Feuer zubereiteten.
Borritos_Uganda
Father_Joseph_Borrito

Arbeiten noch vor Sonnenaufgang.

Sonnenaufgang_Nandere
Selbst den Einheimischen ist die Arbeit bei diesen Temperaturen zu anstrengend. Daher einigten wir uns darauf ab sofort bereits schon um 7 Uhr anzufangen. Doch am Samstagmorgen erreichte ich als einziger pünktlich unsere Arbeitsstelle, an der das Schaufeln des Grabens weitergehen sollte. Etwas deprimiert, startete ich meine Arbeit alleine.
Nach zwei Stunden war ich immernoch alleine. Ich war sauer. Wo waren die anderen? Selbst Mareike und Linn sollten längst da sein. Voller Enttäuschung rammte ich meine Spitzhacke in einen Jackfruitbaum und kletterte hinauf. Hier oben war es schattig und trocken. In der Nacht hatte es geregnet, was die Arbeit nicht unbedingt erleicherte. Der Boden war immernoch steinhart.
Hier saß ich nun also. Drei Meter über dem Boden, ein Fuß baumelte in der Luft, der andere lehnte am Stamm des Baumes. Die Gedanken kreisten zwischen weitermachen und sitzen bleiben. Ich erinnerte mich an Goethe. Ich bin überzeugt. Und wie! Aber alleine kann ich die 87.000 Liter, die wir insgesamt ausheben müssen nicht bewältigen.
Ich blickte auf den Graben. Etwa 70 Meter hatten wir bisher nur geschafft. Wie sollte das mit der hier herrschenden Arbeitsmoral bei Zeiten etwas werden? Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Kurz nach 9 Uhr kamen Father Joseph, Mareike, Linn und mindestens sieben andere Helfer. Zwar zu spät, aber da waren sie. Die Arbeit ging weiter. Fast bis 13 Uhr arbeiteten wir gestern. Insgesamt haben wir jetzt 106 der 470 Meter hinter uns gebracht. Doch um die Vervollständigung des Grabens in der nächsten Woche zu schaffen, brauchen wir mehr Helfer.

Motivationsrede nach dem Gottesdienst

Wie im letzten Jahr, überlegte ich mir den Sonntag zu nutzen um möglichst viele Menschen zu erreichen. Heute nach der Messe durfte ich eine kleine Rede halten.
Sie beinhaltete einige wichtige Informationen zum Brunnenbau. Beispielsweise woher das Geld kommt, was meine Motivation war und das der Brunnen für das Dorf Nandere und für niemanden sonst gebaut wird. Ohne Vorwürfe, ganz sachlich und motivierend versuchte ich die Menschen zu erreichen. Ich erklärte ihnen wie viel Arbeit wir noch vor uns haben und warum (Kostenersparnis) Busoga Trust das Ausheben des Grabens nicht übernimmt.
Meine Worte an die Menschen richtete ich dieses Mal ausschließlich in Englisch. Aufgrund der Spontanität war es leider nicht möglich die Rede in Luganda zu übersetzen und sprechen zu üben. In beiden Gottesdiensten um 7 und um 9 Uhr gab es daher jeweils eine Person, die meine Worte übersetzte. Die Gruß- und Abschiedsworte waren jedoch in Luganda, was zu starkem Gelächter führte. Es ist immer wieder beeindruckend wie sehr sich die Menschen hier freuen, wenn man ihre Sprache spricht und sich für ihre Kultur interessiert.

Father_Joseph_Steven

Father Joseph und ich

Mareike_Linn_Colline

Mareike, Colline und Linn (v.l.n.r.)

Nun bin ich ganz gespannt was morgen früh passiert.
Werde ich wieder alleine runter zur Arbeit gehen?
Ich denke nicht.
Und falls doch?
Ja, dann finden wir andere Wege und Mittel um diesen verfluchten Graben zu schaufeln.
Denn ich hab immer noch so viel Kraft, das auszuführen, wovon ich überzeugt bin. Und davon bin ich überzeugt.

Und Busoga?

Busoga Trust will wohl morgen unseren Vertragsentwurf unterschreiben. Ich werde Moses direkt mal anrufen und nachfragen, ob es dabei bleibt und ob er dafür in die Pfarrei kommt. Dann kann die erste Rate morgen Abend überwiesen werden und Busoga Trust kann man Mittwoch starten, zwar mit einer Woche Verzug, aber wir würden das Projekt noch im ursprünglichen Timing realisieren. Tschakka.

Es grüßt euch,
Steven

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Kommentar
  • Sabine
    3. März 2016, 10:39

    Hallo Steven,
    ich finde Dein Projekt super und bin gespannt wie es weiter geht.
    Drücke die Daumen! Alles Gute 🙂

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Steven Hille

Steven ist der Autor des nachhaltigen Reiseblogs Funkloch. Irgendwann dachte er sich, dass er nur noch Projekte realisieren sollte, die einen guten Nutzen haben. Aus dieser Idee heraus sammelte er Spenden für ein Tigerbaby, unterstützte ein nationales Bienenprojekt, baute einen Brunnen in Uganda und gründete mit Freunden die NGO WeWater, die sich für sauberes Trinkwasser einsetzt.

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